ein Portrait von Mona May
Er ist von Kopf bis Fuß ein Individualist, der durchaus seine Ecken und Kanten hat, zu denen er aber steht. Er wäre eben nicht er, wenn er nicht durch und durch zu seinem Mensschein stünde. Und auch in seiner künstlerischen Arbeit steht für Thomas Erlmoser der Mensch und alles Menschliche im Mittelpunkt. Und zwar voll und ganz. Mit all den Gefühlsregungen und dem gesamten Verhaltensrepertoire, das einen Menschen ausmacht. Dabei erkundet und studiert er einerseits das Menschsein mit Argusaugen – das eigene genauso, wie das der anderen – andererseits ist er mitten drinnen im Leben.
Eigenart
Von Sentimentalitäten hält der Schauspieler wenig und so ist es nicht verwunderlich, dass er Fakten und klare Verhältisse zu schätzen weiß. Langes Herumdiskutieren wegen Nebensächlichkeiten ist ihm ein Gräuel, da er es liebt diszipliniert und strukturiert zu arbeiten. Bei ihm ist eine Rolle keine Rolle, er besitzt die Fähigkeit einer Figur seinen eigenen Charakter aufzuprägen. Vielleicht, weil es ihm nicht darum geht zu der „Rolle zu werden“, die er spielt, sondern vielmehr darum, ganz er selbst zu bleiben und sich nicht absorbieren zu lassen sondern in die Figur das Eigene hinein zu legen. Häufig ist es ja umgekehrt, eine Rolle kann den Schauspieler oder die Schauspielerin derart vereinnahmen, dass er oder sie davon geformt wird. Nicht so bei Erlmoser, er hat diese seltene Gabe, gleichzeitig die Rolle und ganz er selbst zu sein.
Dunkles Charisma
Oft wird er für Rollen von zwielichtigen und finsteren Gestalten engagiert. Ich muss zugeben, diese Rollen scheinen wie maßgeschneidert auf ihn zu passen. Es kann also geschehen, dass Thomas Erlmoser unverhofft als Schurke oder Bösewicht in den TV-Monitoren unserer Wohnzimmer auftaucht, weil gerade ein Werbespot mit ihm abgedreht wurde. Da er höchst charismatisch ist, rate ich meinen geschätzten Leserinnen und Lesern, sich auf keine dunklen Geschäfte mit ihm einzulassen. Ja, wir treffen bei ihm auf keinen glatten Typen, er kommt eher wild und verwegen daher, aber Vorsicht ist geboten, wir dürfen uns von diesem Eindruck nicht täuschen lassen, denn er beherrscht auch die Kunst der sanften, schmachtenden Blicke und der romantischen zärtlichen Gesten. Dann verlassen samtige weiche Töne seine Kehle und jedes Wort wird zu einer Liebeserklärung an die Welt.
Wortgestalter
Kaum einer vermag, so wie er, leicht und elegant zwischen den verschiedensten Schattierungen zu wechseln. Das, was er „spielt“, kommt aus einem tief empfundenen Verständnis für das Leben und seine Herausforderungen. In seinem Mund wird ein Text zu einem sinnlichen Erlebnis, weil er es versteht sich die Worte derart einzuverleiben, dass sie einfach zu lebendigen, uns bewegenden Bildern in unseren Köpfen werden müssen. Für mich ist er ein Charakterdarsteller der Moderne, der das Zeug dazu hat die Liste großer Namen, wie Gert Fröbe, Klaus Maria Brandauer, Klaus Kinsky, Oskar Werner et cetera fortzuführen. Auch wenn er selbst diese Kategorisierungen und Vergleiche nicht sonderlich mag, wer das Vergnügen hatte oder hat mit Thomas Erlmoser zu arbeiten, wird mir recht geben.
Aber lassen wir nun den Künstler selbst zu Wort kommen.
Das Interview
Mona May: Hallo Thomas, schön, dass ich dich interviewen darf, zuerst einmal möchte ich von dir erfahren, wann und wo du geboren wurdest?
Thomas Erlmoser: Zunächst möchte ich mich herzlich bedanken, dass Ihr mich zum Interview geladen habt. Na ja, geboren wurde ich in der Spitalgasse im 9. Wiener Gemeindebezirk. Ich glaube, mich sogar erinnern zu können, dass das so ziemlich genau um 23.50 Uhr gewesen sein muss, für meine Mama, die für gewöhnlich früh ins Bett geht, war das eine ziemliche Tortur.
MM: Ich bin mir sicher, dass bei deiner Mama die Freude über deine Ankunft überwog. Erzähle mir doch bitte ein wenig über deine Eltern, es interessiert mich auch, ob du Geschwister hast?
TE: Ich habe einen etwas jüngeren Bruder und noch vier etwas jüngere Schwestern. Meine Mama war Hausfrau und mein Dad war bei der Gemeinde Wien als Kinderfürsorger im Einsatz. Ich für meinen Teil war ein ziemliches Mamakind und konnte nicht von ihrer Seite weichen. Wenn sie nur ins Nebenzimmer gegangen war, fing ich schon zu heulen an. An meinen Dad kann ich mich nicht mehr so richtig erinnern. Ich sehe nur seine verzweifelten Konturen vor meinem geistigen Auge, weil mein Biorhythmus von jeher auf Eule getrimmt war und ich daher schon als Kleinkind unheimlich nachtaktiv war. Und da Mama ihren Schlaf brauchte und früh ins Bett ging, musste mir halt Papa die halbe Nacht Geschichten erzählen und mir mit unheimlich falschen Tönen Einschlaflieder vorsingen.
Bedauerlicherweise wurden meine Mama und mein Papa mit der Zeit immer unausgeglichener und begannen des Öfteren zu streiten. Und irgendwann war Papa nicht mehr da.
Alles halb so schlimm. Wir haben uns wieder gesehen und sehen uns dann und wann auch heute noch.
MM: Beschreibe bitte das Milieu, in dem du aufgewachsen bist, näher?
TE: Das Milieu? Rau. 21. Wiener Gemeindebezirk, Großfeldsiedlung. Gemeindebau, 10. Stock, mit freiem Blick aufs Rinterzelt (Anm.: ehemalige Müllbrennungsanlage). Bis zu meinem zehnten Lebensjahr bin ich in dieser kleinen Stadt neben der Stadt aufgewachsen. Das hat mir vor allem meinen, leider auch heute noch zeitweise zu Tage tretenden, schmutzigen Jargon eingebracht. Obwohl leider? Nein, der kann hin und wieder auch ganz nützlich sein. Danach zogen wir zu meinem großen Glück zurück an meine Geburtsstätte in den Alsergrund. Dieser Schritt war für mich eine große Befreiung. Dort ging alles viel entspannter und herzlicher zu. Ich kann mich heute noch an meinen ersten Schultag erinnern. Wunderbare Kollegen und Freunde. Ein verwegener Haufen aus allen Kulturen kommend, aus dem ehemaligen Jugoslawien, der Türkei, Iran, Irak, Polen und Taiwan.
MM: Als nächstes interessiert mich, welchen Stellenwert die Kunst in deiner Familie einnahm und ob es in deinem nahen familiären Umfeld Künstlerinnen und Künstler gab?
TE: Nun, mit der Kunst hatte es meine Familie nicht so. Meine Ahnen mütterlicherseits stammen aus Dreibuchenhöhe – der Ort klingt ja schon beinahe poetisch – und waren einfache Bauern und mussten schwer arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Dafür gebührt ihnen großer Dank. Väterlicherseits kommt meine Familie aus dem Raum Salzburg und der Steiermark und war im Kleinunternehmertum tätig. Sie waren – wie alle Menschen der Erde – hauptsächlich Überlebenskünstler.
MM: Wann und wie hast du dann bemerkt, dass es dich zur Kunst zieht – speziell zum Schauspiel?
TE: Ach, das bemerkte ich gar nicht. Da ich ja weder gut malen, noch besonders gut und gerne singe, kein Instrument spiele und auch tänzerisch wenig am Hut hatte und eigentlich auch kein besonderes Interesse an einer aktiven Beteiligung in einer dieser Disziplinen hatte, musste natürlich Mutter Zufall eine Rolle spielen. Oder vielmehr gesagt meine Tochter Ruby. Das war nämlich so: sie spielte mit ungefähr zehn Jahren im Schultheater. Und eines Tages sagte sie, wie Kinder halt so sind, dass die Leiterin des Schultheaters komisch sei und ich ihr ein Theater suchen solle. Sie wolle nämlich unbedingt Theater spielen. Und da ich meiner Tochter natürlich keinen Wunsch abschlagen kann, habe ich im Internet recherchiert und bin auf die Website des Odysseetheaters von Dr. Wolfgang Peter gestoßen. Wir sind dorthin und schon war es um mich geschehen. Vorwiegend wegen des Männermangels, der dort herrschte, wurde mir gleich eine Doppelrolle im Zaubermärchen „Der Verschwender“ von Ferdinand Raimund zugeteilt. Dann ging dieser Prozess weiter und weiter und weiter und wird hoffentlich nicht mehr enden.
MM: Und gab es bei deinen anschließenden Ausbildungen Lehrerinnen und Lehrer oder Vorbilder, die für dich sehr wichtig waren und die dich stark prägten?
TE: Da gab es so viele wichtige und prägende Menschen, dass ich einige ungerechtfertigter Weise nicht anzuführen wüsste. Ich würde es so formulieren. Wenn man gute Bücher liest, kann man so viel Wertvolles für das Leben mitnehmen. Und wenn man das macht, ist es unerheblich, in welchem Buch das ein oder andere Wesentliche geschrieben stand.
MM: Das führt mich zu meiner nächsten Frage: Wenn dich jemand fragen würde, was du als Künstler machst, was würdest du antworten ?
TE: Ich bin ich und ich mache mich.
MM: Was möchtest du uns über den Schauspieler Thomas Erlmoser verraten? Wer ist er, warum tut er, was er tut? Was sind seine Motive?
TE: Ich denke, da gibt es nicht so viel Außergewöhnliches zu erzählen.
Das Motiv ist schwierig zu definieren, wenn ich jedoch aufrichtig auf die Frage antworten soll, dann sind es wahrscheinlich meine im Alltag gut verborgenen narzisstischen Züge, die mich vor die Kamera und auf die Bühne ziehen. Und je verrückter die Rollen umso besser.
Aber so viel kann ich noch sagen: Handelt es sich um ein Projekt, von dem ich mich als Mensch berührt fühle, dann nehme ich an diesem, auch auf das Risiko hin, keine Gage zu erhalten, teil. Also, entweder gut honoriert oder inhaltlich wertvoll. Am besten wäre natürlich beides.
Sobald ich jedoch einem Projekt zugetan bin, bin ich von der ersten Minute an mit voller Inbrunst dabei. Dann werde ich, als gewöhnlich eher gemütlicher Mensch, der ein passionierter Couchpotatoe ist, regelrecht zum Fanatiker. Zu Beginn hat mein Umfeld aufgrund mancher meiner Verhaltensweisen verwundert und besorgt reagiert. Heute wissen alle, dass ich keine Selbstgespräche führe, sondern bloß meine Texte wiederhole. (Anm.: lacht).
MM: Du wirkst ja auch in Filmen mit, welche sind das, steht aktuell ein Filmprojekt in Aussicht?
TE: Durch das Coronajahr 2020 waren selbstverständlich die Aufträge eher rar gesät. Da war das Jahr 2021 glücklicherweise erheblich besser. Neben einigen Werbeaufträgen wirkte ich als einer der Hauptakteure im Langspielfilmprojekt Im Haus der alten Augustin unter der Regie von Gerald Pribek mit. Darüber hinaus steht derzeit noch ein besonderes Filmprojekt unter der künstlerischen Leitung von Mona May auf dem Programm, auf das ich mich schon sehr freue. Mehr möchte ich hierzu aber noch nicht verraten.
MM: Stimmt es, dass einige der Filmprojekte bei denen du mitgespielt hast, ausgezeichnet wurden?
TE: Ja, es wurden schon einige Kurzfilme, bei denen ich mitgewirkt habe, mit Preisen ausgezeichnet. Persönlich hatte ich allerdings noch nicht das Vergnügen, mit nennenswerten Auszeichnungen überhäuft zu werden. Was nicht ist, kann ja noch werden (Anm.: schmunzelt).
MM: Ich kenne dich als sehr sozialen Menschen, gehören für dich soziales Engagement, gesellschaftspolitische Themen und Kunst zusammen oder spielt das für dich keine Rolle?
Das ist eine Frage, die so vielseitig auf unterschiedlichsten gesellschaftlichen Ebenen rational und intellektuell zu beantworten versucht wird. Ich bin mir nicht sicher, ob fortwährend und stets ein Zusammenhang besteht. Ich sehe jedoch, dass die Komponenten Soziales, Gesellschaftspolitisches und Kunst grundsätzlich und häufig eng miteinander verknüpft sind.
MM: Und zum Abschluss möchte ich dich bitten, mir noch zwei, drei private Fragen zu beantworten Die erste lautet: Was bedeuten dir die Begriffe Familie und Heimat?
TE: Meine Familie ist meine Heimat.
MM: Du lebst ja in einer Beziehung und hast eine Tochter, wie wichtig sind die beiden für dich in Bezug auf deine künstlerische Tätigkeit?
TE: Den wichtigen Einfluss meiner Tochter Ruby auf meinen künstlerischen Werdegang habe ich ja schon vorher erwähnt. Und auch in meinem täglichen Leben ist sie mir immer sehr nah. Und das macht mich sehr glücklich. Sie gehört auch zu jenen Menschen, die es schaffen, mich mit guten Argumenten von einer Sache zu überzeugen. Zum Beispiel habe ich es ihr zu verdanken, dass ich mich nunmehr schon seit über einem Jahr sechs Tage die Woche ausschließlich vegan ernähre.
Und zur Abrundung meines Glückes ist natürlich auch meine Lebenspartnerin Tamara, die mir seit neun Jahren Liebe und Geborgenheit schenkt, von riesiger Bedeutung. Wie der Zufall es mochte, haben wir uns beim künstlerischen Schaffen kennen und lieben gelernt. Ich hoffe sehr, dass wir bald wieder einmal gemeinsam auf der Bühne stehen werden.
MM_:Wie ist dein augenblickliches Lebensgefühl? Was sind deine Ziele, was möchtest du noch erreichen, gibt es Pläne für die Zukunft?
TE: Vor einiger Zeit hätte ich noch gesagt: „Wenn es mir morgen so gut ginge wie heute, bliebe ich schon ein sehr zufriedener Mensch“.
In Bezug auf die Zukunft, na ja, so richtige Pläne kreiere ich eigentlich nicht. Es sind eher Lebensskizzen, die ich anfertige. Und die, welche mir als die geeignetste erscheint, wird mit Leben erfüllt.
Danke Thomas für das tolle Gespräch.