Gerry Lagler: Comics für eine bessere Zukunft

ein Beitrag von Mona May

Gleich vorweg: das Genre über das ich heute schreiben werde, gehört nicht zu meinen Spezialgebieten. Na ja, wenn ich ganz ehrlich bin, dann hatte ich bis dato damit nichts am Hut und kannte mich mit der Materie so gut wie nicht aus. Außer, dass ich, so wie fast jedes Kind, Mickey Mouse und Donald Duck Hefte sehr liebte und sehnlichst auf die heiß begehrten Hefte von den Nachbarskindern schielte, die mir diese gelegentlich borgten.

Ich bin also in Bezug auf die hohe Kunst des ComicZeichnens völlig unbedarft und habe zuerst ein wenig recherchieren müssen, um überhaupt darüber berichten zu können. Daher freue ich mich aber umso mehr, heute einen wahren Meister dieses Genres vorstellen und unsere hochgeschätzten Leser*innen in seinen Comic-Kosmos entführen zu dürfen.

 

Die Rede ist von Gerry Lagler, der nicht nur ein leidenschaftlicher ComicZeichner, Illustrator, Grafiker, Designer und Fotograf ist, sondern auch der Erfinder der berühmten Strassengler KirchenMaus – die mittlerweile zum inoffiziellen Maskottchen von Strassengel geworden ist.

Aber alles schön der Reihe nach: geboren ist der Künstler Gerry Lagler in Leoben, einer Stadtgemeinde in der Steiermark. Seine Ausbildung genoss er an der international angesehenen Ortweinschule in Graz.

Er ist ein unverbesserlicher Optimist und gibt die Hoffnung auf eine bessere Welt nicht auf. So gestaltet er auch mit viel Feingefühl, Humor und einer großen Portion Liebe seinen Comic-Unterricht, denn die Förderung des Nachwuchses ist ihm ein besonders großes Anliegen und so gründete er 2008 kurzerhand die 1. Österreichische Comic.Schule. Heute trägt diese den Namen „COMiC CiRCLE“ – Comic.Schule.Austria und hat ihren Sitz in Gratwein-Straßengel.

Für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die Comic-Fans sind, muss das ja ein wahres Comic-Schlaraffenland sein und so wundert es mich auch nicht, dass sich der „COMiC CiRCLE“ großer Beliebtheit und eines großen Zulaufs erfreut. Kinder und Jugendliche aller Alterstufen – die jüngsten sind neun Jahre alt – aber auch Erwachsene besuchen den Unterricht. Und es gibt, wie mich Gerry Lagler augenzwinkernd und begeistert wissen lässt, auch ein paar Spätberufene, die weit über fünzig sind. Ich staune nicht schlecht über dieses generationenübergreifende Projekt! So sollte Schule generell sein – finde ich, ein Ort an dem voller Begeisterung etwas weitergegeben, erfahren und ausgetausch wird.

Im Rahmen der ComicSchule kommen einmal jährlich im Spätherbst die ComicMagazine heraus. In diesen liebevoll gestalteten Magazinen werden einige Arbeiten des Künstlers selbst und manche von Kollegen*innen aus dem In- und Ausland veröffentlicht, wobei der Schwerpunkt aber auf den ungemein kreativen Arbeiten der Schüler*innen des COMiC CiRCLEs liegt.

 

In den USA und in Japan ist das Comic Genre sehr populär und gefragt, während es in Österreich ein „Stiefkind-Dasein“ fristet, um diesen Umstand zu ändern organisiert Gerry Lagler seit 2007 immer wieder den Straßengler ComicContest oder so wie 2022 einen Zeichenwettbewerb, bei dem es darum ging, wer die lustigste und zugleich schönste Strassengler KirchenMaus zeichnet. Der 25. Geburtstag der Strassengler KirchenMaus musste schließlich gebührend mit einer originellen Idee gewürdigt werden. Das alles trägt dazu bei dem Comic Genre und dem Comic-Zeichnen auch hierzulande zu mehr Popularität zu verhelfen.

Alles, was er tut, tut er mit großer Hingabe und so habe auch ich ihn als kongenialen Partner, den ich als Illustrator für meinen kleinen Wicht gewinnen konnte, kennengelernt.

Wie das zuging?

Nun, ich dachte mir 2020 im Zuge der Pandemie eine kleine poetische Figur aus, die der Corona bedingten Tristesse etwas entgegensetzen sollte und auf den Social Media Plattformen Heiterkeit verbreiten und zugleich ein klein wenig kritisch sein sollte: Der kleine Wicht.

Aus dieser Idee entstanden die Wicht-el Reime, wofür ich eine Person suchte, die meine kleinen Gedicht-Geschichten illustrieren würde, um ein kleines Buch daraus zu machen.

Die Wicht-el Reime sind eine ART Antwort auf das zuweilen bedrückende Zeitgeschehen. Sie thematisieren in heiterer, schräger und keck-absurder Weise, die innere menschliche Wirklichkeit und wie wir auf äußere Ereignisse reagieren – es ist sozusagen auch der innere kleine Wicht in uns, der zu Wort kommt und zu uns spricht.

Wie der Zufall es will, schlug mein Freund Johannes Wolfgang Sfiligoj (Atelier12 Graz) vor, ich solle doch mal bei Gerry Lagler anfragen, der sei ein hervorragender Künstler. Gesagt getan und voi·là der kleine Wicht wurde auch als Figur geboren – seitdem arbeiten wir zusammen und spätestens 2025 wird unsere Wicht-el Poesie in Buchform erscheinen.

Gerry Lagler kann zu Recht stolz auf sein umfassendes Werk sein. Über sein bewegtes Leben wird er uns im Interview-Teil einiges zu berichten haben


Das Interview

Hallo, lieber Gerry Lagler, ich freue mich sehr, dass ich dich heute interviewen darf und du uns Einblicke in deine Arbeit und in dein Leben als Illustrator und Comic Zeichner gestatten wirst. Meine ersten Fragen beziehen sich auf deinen biografischen Hintergrund: würdest du uns zuerst einmal verraten wann und wo du geboren wurdest?

Ja, sehr gerne, also ich wurde am 11. Juni 1965 in Bruck an der Mur geboren.

Bist du mit Geschwistern aufgewachsen?

Ich hätte eine um drei Jahre ältere Schwester, die aber leider kurz nach ihrer Geburt verstorben ist.

Wie würdest du das Milieu beschreiben, in dem du herangewachsen bist?

Ich bin in Leoben aufgewachsen, genauer gesagt in Donawitz, einer kleinen Ortschaft, die zur Stadtgemeinde Leoben zählt und hatte eine sehr glückliche Kindheit.

Meine Eltern gehörten der Arbeiter-Klasse an. Die VÖEST Alpine Stahl Donawitz GmbH war und ist nach wie vor der bedeutendste Arbeitgeber der Region.

Beschäftigten sich deine Eltern in irgendeiner Weise mit Kunst oder gibt/gab es in deiner Familie noch andere Künstler_innen?

Nein, ich bin so ziemlich „aus der Art geschlagen“.

Wann hast du bemerkt, dass es dich zur Kunst zieht – speziell zur Illustration und zum Comiczeichnen?

Eigentlich seit ich einen Stift in der Hand halten konnte, denn da wusste ich schon, was mir am Liebsten war: Zeichnen! Zeichnen! Zeichnen!!!

Wenn ich eine Person wäre, die noch nie etwas von dir und deinen Comics gesehen hat und die auch deine Illustrationen nicht kennt, wie würdest du mir das, was du tust, erklären?

Ich würde etwas für dich zeichnen. Und ich hoffe, dass ich viele Menschen mit dem, was ich tue, glücklich mache!

Erzähle mir bitte etwas über den Künstler Gerry Lagler, wer ist er, warum tut er, was er tut? Wie arbeitest du? Was sind deine Themen und Motive?

Ich bin ein leidenschaftlicher Zeichner! Ich war fünfunddreißig Jahre in der Werbung tätig, die mich am Anfang sehr interessierte. In Wien hatte ich das Glück, für viele namhafte Unternehmen arbeiten zu können, unter anderem für die damals größte Werbeagentur Österreichs.

Nach zehn Jahren in dieser wunderbaren Stadt kehrte ich in die Steiermark zurück und machte mich selbstständig, indem ich in Leoben ein eigenes GraphicStudio eröffnete. Das betrieb ich ebenfalls zehn Jahre lang, bis die Kunden immer unverschämter mit ihren Forderungen und mit der Zahlungsmoral wurden.

Danach übte ich andere Berufe aus, aber die Leidenschaft Comics zu illustrieren ließ mich nie los. Dabei arbeite ich halb manuell halb digital. Mit anderen Worten, die Zeichnungen werden per Hand angefertigt und am Computer vervollständigt. Die Themen und Motive sind grenzenlos, was mir gerade einfällt, das wird sofort zu Papier gebracht und festgehalten.

Was bedeutet dir dein Kunstschaffen? Ist es eher ein Instrument, um der Welt deine Ansichten mitzuteilen oder … ?

Wenn ich Menschen unterhalte, bin ich glücklich. Wenn ich die Gesellschaft wachrütteln kann, bin ich glücklich. Wenn ich glücklich bin, bin ich noch kreativer.

Des Weiteren möchte ich den Nachwuchs fördern, daher lade ich viele Kinder und Jugendliche zu meinem „COMiC CiRCLE“ – Comic.Schule.Austria – der von 2008 bis 2020 „1. Österreichische Comic.Schule“ hieß und seinen Sitz in Gratwein-Straßengel hat, ein.

Wo arbeitest du, also wo entstehen deine Illustrationen und deine Comics?

Ich trage immer einen Notizblock und Stifte bei mir. Egal, ob ich unterwegs mit der Eisenbahn bin, in einem Kaffeehaus oder zu Hause, dort wo ich gerade bin, dort arbeite ich.

Beschreibe mir bitte deine augenblickliche Lebenssituation und dein Lebensgefühl, gerne würde ich auch über deine Hoffnungen, Ambitionen und Ziele etwas erfahren?

Ich arbeite tagsüber großteils mit Schülern als Schulassistent und habe daher ein geregeltes Einkommen. Dadurch kann ich meine Ideen in der Kunst verwirklichen und bin niemandem Rechenschaft schuldig.

Ich lebe am Land, bin aber sehr gut und schnell mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in den Ballungszentren.

Meine Ziele sind sehr schnell definiert: ich möchte mit meinen Comics die Welt verbessern. Klingt naiv und komisch, ist aber so!

Ich glaube noch immer an das Wunder „intelligente Spezies Mensch“, irgendwann MUSS diese ja auf die Welt kommen.

Welche Vorbilder prägten dich? Und gibt es Lehrer_innen, die extrem wichtig für dich waren? Welche Ausbildungen hast du genossen?

Ich bin vor allem meinem ehemaligen Klassenvorstand, Herrn HOL Thomas Weissenbacher, extrem dankbar, dass er mir, trotz meiner Abneigung gegen sein Unterrichtsfach Mathematik, immer zur Seite stand und mich förderte, genauso wie Herrn Prof. Mag. Alfred Hengsberger, der mich 1987 ermutigte nach Wien zu gehen, um dort zu arbeiten.

Natürlich bin ich auch meinen Eltern dankbar, die mich nicht in die Werksschule der VÖEST Alpine in Donawitz gesteckt haben und meine Leidenschaft ebenfalls unterstützten.

Die Ausbildung zum GraphicDesigner und Schaufensterdekorateur genoß ich ja in Graz an der berühmten Ortweinschule. Dort wurde ich von herausragenden und bekannten Künstler*innnen unterrichtet, die zum „Feinschliff meines Talentes” beitrugen.

Hast du Preise gewonnen oder mit deinen Comics an „wichtigen“ Wettbewerben teilgenommen?

Ich persönlich habe NIE bei Wettbewerben mitgemacht, habe aber seit 2007 etliche organisiert, davon zum Beispiel den „1. Straßengler ComicContest“ (2007), dann den „2. Straßengler ComicContest” (2009) und schlußendlich den Zeichenwettbewerb „Wer zeichnet die beste und schönste Strassengler KirchenMaus“ (2022), das war anläßlich des 25. Geburtstages der Strassengler KirchenMaus.

Was hat es denn mit der Strassengler KirchenMaus auf sich? Soviel ich weiß, bist du der Erfinder dieser lustigen Maus, die uns immer wieder auf den Social Media Plattformen über den Weg läuft?

Ja, das war im Juni 1997, als ich mit der ÖBB (österreichische Bundesbahn) von Leoben nach Graz reiste, um in einer Werbeagentur mitzuarbeiten. Auf dieser Fahrt sah ich aus dem Fenster und erblickte, wie schon so oft davor, die gotische Wallfahrtskirche Maria Straßengel.

Dieser Anblick war das Zeichen, dass ich bald in der steirischen Landeshauptstadt ankommen würde und so begann ich langsam und gemächlich meine Unterlagen zusammenzuräumen, mit denen ich während der Zugfahrt beschäftigt war.

Zu dieser Zeit war ich zudem mit einer Bewohnerin der Marktgemeinde Judendorf-Straßengel liiert, die ich des Öfteren an den Wochenenden besuchte. Dass ich zum gegebenen Zeitpunkt finanziell mehr am Boden lag, als im siebenten Himmel zu schweben, war paradoxerweise eine Quelle der Inspiration. Und während dieser Bahnfahrt war es dann also soweit: ich zeichnete eine Maus in einer Mönchskutte auf ein Stück Papier und schon war sie geboren: die Strassengler KirchenMaus.

Last but not least: auch ein gewisser Walt Disney schuf eine berühmte Comic-Figur während einer Zugreise – damals in den 1920er Jahren von Kansas nach Kalifornien.

Und schon komme ich zu meiner nächsten Frage: „Gehören für dich soziales Engagement und/oder gesellschaftspolitische Themen und Kunst zusammen?“

JA! Das tut es! Unbedingt!!!!!

Was bedeuten für dich die Begriffe Familie und Heimat?

Familie, das ist für mich Geborgenheit und Schutz. Und Heimat ist, wenn ich wieder einmal in Europa und Umgebung beruflich oder privat unterwegs war und dann nach Hause komme.

Lebst du in einer Beziehung, hast du Kinder und wenn ja, sind diese für dich – auch in Bezug auf deine künstlerische Tätigkeit – wichtig?

Ich habe seit 2012 eine liebevolle Lebensgefährtin, die meine chaotische Leidenschaft teilt und einen stürmischen Kater, der mich ebenfalls über alles liebt.

Was sind deine Ziele, was möchtest du noch erreichen, gibt es Pläne für die Zukunft?

Na ja, ich plane seit 1997 langfristig nichts mehr, denn jedes Mal, wenn ich zum Beispiel an einem Sonntag Pläne für die kommende Woche machte, durfte ich am Montag Morgen, oft nach nur einem einzigen Telefonat, sämtliche meiner Pläne quasi über den Haufen werfen!!! Also lasse ich das Leben lieber auf mich zukommen.

Danke, lieber Gerry Lagler, für das Interview, ich wünsche dir viel Erfolg und alles Gute für deinen weiteren Lebensweg.

Nähere Infos:

facebook.com/gerry.lagler

instagram.com/gerrylagler

youtube.com/watch?v=q0gx9vl3QTk&t=29s

youtube.com/watch?v=1pLpQYv6O10

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youtube.com/watch?v=IXCeb1lsd2U&t=13s

youtube.com/watch?v=1pLpQYv6O10&t=58s

Author: Mona May

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