ein Portrait von Mona May
„Das Glück deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab.“
Mit diesem stimmigen Zitat, das angeblich von Mark Aurel – dem römischen Philosophen-Kaiser, der einer der letzten großen Stoiker war – stammt, endete das Interview, das ich mit der Künstlerin führte, die ich euch heute im Rahmen meiner Aktion Goethe ist tot – wir leben vorstellen werde. Sie ist ein Multitalent. Nicht nur, dass sie die Kunst des Schauspiels bravourös beherrscht, hat sie auch organisatorisch einiges drauf. Aber dazu später noch mehr.
Kecke Hexe
Ihre Schauspielkarriere hat sie als Hexe und zwar als kleine Hexe, die auch die Hauptfigur in dem gleichnamigen Kinderbuch von Otfried Preußler ist, begonnen. Das war im zarten Alter von einhundertsiebenundzwanzig Jahren – oh, Moment mal, ich glaube da verwechsle ich jetzt etwas. Das ist das Alter der kleinen Hexe – diese Rolle liebt sie besonders, die zauberhafte Katharina Aschauer. Aber nicht nur diese, denn egal in welche Rolle sie schlüpft, ob mit roten Backen, grünen Haaren oder einem bunten flatterndem Federhut auf dem Kopf, sie ist beseelt von einer liebenswürdigen Keckheit und besticht damit ihr kleines und großes Publikum. Sie guckt in Kinderaugen und diesen direkt ins Herz – das ist erwärmend und tut gut. Gerade in Zeiten wie diesen, brauchen die Kinder die Hoffnung und die Vision von einer besseren, einer gerechteren, einer liebevolleren Welt. Für mich ist sie die österreichische Ausgabe der Mary Poppins: Diese zarte, wandlungsfähige Person spaziert auf den Brettern, die ihr die Welt bedeuten auf und ab, gestikuliert mal in die eine Richtung, dann wieder in die andere, fängt einen Bösewicht, gewinnt Freunde, lacht und lächelt und ist glücklich oder stolpert und strauchelt auch mal, aber nur um sich wieder aufzurappeln, so wie im echten Leben. Denn Katharina Aschauer blickt auf einen bewegten Lebenslauf zurück.
Prägende Frauen
Die in Graz lebende Künstlerin ist in der oberösterreichischen Kleinstadt Kirchdorf a. d. Krems als drittes von vier Kindern geboren und in einer Lehrerfamilie aufgewachsen. Ihre Mutter war Volksschullehrerin und ihr Vater AHS Lehrer für Geographie und Geschichte. Ein wenig amüsiert sagt sie darüber: „Es gab während meiner Schulzeit also immer wachsame Augen, die auf mich gerichtet waren.“ „Wie war deine Kindheit, abgesehen von der Schule?“, frage ich sie: „Aufgrund einer Krankheit verbrachte mein älterer Bruder viel Zeit im Krankenhaus Er benötigte viel Aufmerksamkeit von meinen Eltern, daher waren meine Schwester und ich oft in befreundeten Familien oder bei Verwandten getrennt untergebracht. Ich war bei einer Frau untergebracht, es war eine Art Tagesmutter. Ich liebte es bei ihr zu sein. Am Schönsten empfand ich auch die Kindergartenzeit, dort habe ich gerne mit Wachsmalkreiden gemalt, viel Zeit in der Puppenecke verbracht oder auf der Schaukel. Ich liebte es zu schaukeln. Auch Märchenkassetten wie zum Beispiel Die roten Schuhe, die Sterntaler oder Das hässliche Entchen konnte ich stundenlang hören.
Die Personen, die mich am Meisten prägten, waren meine Omas, meine Tante Elfie und die schon erwähnte „Tagesmutter“, die übrigens Frau Mistbranntner hieß, obwohl diese drei Frauen sehr unterschiedliche Charaktere hatten. Tante Elfie, die ältere Schwester meiner Oma mütterlicherseits, war aufgrund ihrer Kinderlosigkeit wie eine zusätzliche Oma für uns und war eine ganz spezielle Bezugsperson. Sie lebte sehr bescheiden und bodenständig, hatte aber ein sehr großes Herz und einen großen Garten, der für mich wie das Paradies schlechthin war.“
Kreative Gene
„Wie stand deine Familie zur Kunst, gab es da noch andere Familienmitglieder, die künstlerisch veranlagt waren?“ frage ich neugierig nach: „Meine Großmutter mütterlicherseits war wohl neben ihrem Brotberuf – meine Großeltern betrieben eine Bäckerei – eine Art Künstlerin. Sie beschäftigte sich mit Porzellanpuppen und nähte auch Puppenkleider. Alles was sie machte war sehr kreativ. Und auch meine Mutter interessiert sich nach wie vor für Möbeldesign liebt die bildenden Künste. Meine ältere Schwester Veronika verleiht dieser Leidenschaft Ausdruck, sie malt, ist aber hauptberuflich, wie meine Etern, Lehrerin. Meine jüngere Schwester Magdalena, sie hat das Down Syndrom, malt und zeichnet mit großer Leidenschaft und hatte gerade ihre erste Vernissage in Linz.
Bei mir erwachte der Wunsch Schauspielerin zu werden wohl, als ich mit etwa sechs Jahren in der Arbeiterkammer Kirchdorf – dort gab es immer wieder Theateraufführungen – Zwergnase sah. Meine Fantasie war schon immer sehr ausgeprägt und ich glaubte Teil der Geschichte zu sein. Ich erlebte diese Aufführung als sehr intensiv und der ganze Saal roch merkwürdigerweise nach dem Lippenstift meiner Mutter. Ich fühlte mich, als wäre ich Zuhause und entwickelte eine Art Sehnsucht dieses Gefühl immer wieder zu erleben. Mit acht Jahren spielte ich dann wirklich das erste Mal in einer Schulspielgruppe und bekam auch gleich die Haupttrolle. Da stand es für mich dann endgültig fest, meinem Traum zu folgen und Schauspielerin zu werden.“
Erste Schritte
Bis dorthin sollte es aber noch ein längerer Weg sein, der für Katharina Aschauer nicht immer einfach war: „Nachdem ich die Schule kurz unterbrach und aus einer Not heraus eine Lehre bei Palmers begann, wo ich wirklich fehl am Platz war, begann ich mit Sprecherziehung bei einer Schauspielerin, die am Landestheater Linz spielte. Eva Maria Aichinger. Sie bestärkte mich darin die Schule doch abzuschließen, was ich dann auch tat. Die Sprecherziehung einmal wöchentlich besuchte ich weiterhin – und zwar zweieinhalb Jahre lang.“ Besonders gerne erinnert sich Katharina Aschauer auch an einen ihrer ersten Regisseure, der auch so etwas wie ein Lehrer für sie war:„George Isherwood, gab mir wichtige Dinge mit auf den Weg, so zum Beispiel: „Euer Körper ist euer Musikinstrument, geht stets gut damit um.“
Die große Liebe
Um sich eine fundierte Ausbildung zu erarbeiten nahm sie einige Mühen in Kauf und besuchte zahlreiche Seminare, Intensiv-Workshops und bildete sich immer wieder fort und konnte 2006 die paritätische Eignungsprüfung für Schauspiel ablegen. 2010 folgte noch eine Ausbildung im Kulturmanagement. Ihr Durchhaltevermögen ist bewundernswert und obwohl sie einige längere Durststrecken hinter sich hat, sagt sie: „Der Schauspielerei gehört mein Herz, in ihr steckt mein ganzes Herzblut. Ich bin sozusagen mit meinem Beruf verheiratet. Ich könnte schwer ohne ihn leben. Die Bühne ist mein zweites Wohnzimmer, eigentlich bin ich dort fast lieber, als in meinen eigenen vier Wänden.“ Befragt nach Vorbildern, antwortet sie trocken: „Nein Vorbilder hatte ich eigentlich nie.“ Lässt sich dann aber doch hinreißen in ihren Erinnerungen zu wühlen und mir zu antworten: „Als Kind liebte ich Westernfilme und mein absoluter Lieblingsfilm ist Spiel mir das Lied vom Tod – diesen kann ich immer und immer wieder ansehen. Beeindruckt bin ich sonst von der Wandlungsfähigkeit von Meryl Streep, Cameron Diaz, Susan Sarandon und Cate Blanchett und sicher noch einigen mehr, aber ich betrachte sie nicht als Vorbilder sondern einfach als wirklich gute Miminen. In der heimischen Szene gefallen mir Pia Hierzegger oder Maria Hofstätter sehr gut.“
Einsatz für die Gesellschaft
Mich interessiert, ob sie mittlerweile von ihrem Beruf leben kann: „Ja, Nach einer harten Aufbauzeit von sieben Jahren, kann ich endlich von der Schauspielerei leben und bin nicht gezwungen einer anderen Tätigkeit nachkommen zu müssen. Alles was ich zusätzlich mache, mache ich aus Engagement und ehrenamtlich.“ „Für viele Künstler_innen sind Kunst und soziales Engagement untrennbar miteinander verbunden, für andere wieder gar nicht, wie siehst du das?“ „Als Künstlerin sehe ich mich auch als Wegbegleiterin der Gesellschaft, damit meine ich, dass sich gesellschaftliche Ungleichgewichte sehr gut durch Theaterstücke aufarbeiten lassen. Und das Schöne an der Schauspielerei ist ja, dass man damit viele Menschen erreichen kann und auch kritische Themen mit Witz und Humor aufzeigen kann.“ So nimmt sie nicht nur seit Jahren einen fixen Platz im Quasi-Quasar-Theater ein, sondern schloss sich 2017 der Initiative “Rettet die Mur” an. In weiterer Folge war sie auch Gründungsmitglied von murKULtur und ist dort gemeinsam mit Ursula Ulberth für die Organisation und den Programmverlauf verantwortlich: „Neben dem Erarbeiten von Rollen und dem Spiel auf der Bühne bin ich auch für die Organisation zuständig. Konkret sind meine Aufgaben die Werbung, also die grafische Gestaltung der Flyer und Poster und die Pressearbeit, aber auch Spielpläne erstellen, Gastspiele vor- und nachzubereiten, die Homepage und die Facebook-Seite zu betreuen. Obwohl ich bei murKULTur eng mit Ursula Ulberth zusammenarbeite und wir uns die Aufgaben der Organisation teilen, verbringe ich sicher mindestens so viel Zeit am PC, wie bei den Aufführungen.“
Kunst für das Allgemeinwohl
„Warum bleibst du am Ball oder anders gefragt, was sind die Motive deines Tuns, was treibt dich an?“ „Was mich antreibt? Hm, das ist für mich nicht leicht zu beantworten, weil es ganz einfach passiert. Es gibt die Vision und dann muss diese umgesetzt werden, was immer wieder auch mit behördlichen Schwierigkeiten und Kompromissbereitschaft verbunden ist. Es ist wohl die Leidenschaft etwas zu schaffen. Nicht für mich, sondern für die Allgemeinheit. Ich sehe mich als kleines Rädchen im guten System. Ich habe Grundwerte des Menschseins, die ich ganz einfach vertrete. Dazu gehört auch, durch Kunst, Menschen zusammenzubringen. Barrieren abzubauen und das Auge auf das Schöne und Gute zu richten.
Die derzeitige politische Lage finde ich sehr beängstigend und dagegen möchte ich, wenn auch nur im kleinem Rahmen, etwas tun. Das ist sicher eine starke Motivation auch ehrenamtlich bei murKULTur tätig zu sein. Durch das Kindertheater erreiche ich sehr viele unterschiedliche Menschen, die sicher sehr unterschiedlich denken. Wenn ihnen meine Darbietung gefallen hat, habe ich schon etwas bewirkt. Hauptaugenmerk liegt dabei aber bei den Kindern, wenn diese mir nach einer Vorstellung sagen: „Du hast gut gespielt.“ oder „Das war jetzt wirklich lustig.“, freut mich das ganz besonders und beflügelt mich auch nach sehr anstrengenden Gastspieltourneen.“
Quasi-Quasar
Die Liste der Rollen, die sie bisher verkörperte, ist lang und kann sich wahrlich sehen lassen. Neben Klassikern, wie die Stücke von Shakespear oder von Georg Büchner, wo sie in dem Drama Woyzeck mitwirkte, spielte sie sich vor allem mit dem Studententheater Mimikry und später dann, unter der Regie von Wolfgang Blassnig, im Kindertheater Quasi-Quasar, in die Herzen ihrer Zuseher_innen.
„Wie kam es überhaupt zu der Zusammenarbeit mit Wolfgang Blassnig?“ „Während einer Gemeinschaftsproduktion im Jahre 1999 mit den Titel Das wunderbare Gasthaus bei der viele Grazer Theatergruppen mitwirkten und wo ich mit meiner damaligen Studententheatergruppe Mimikry mitwirkte, traf ich auf Wolfgang Blassnig. Er hat das Grazer Quasi-Quasar-Theaters 1998 gegründet und war auf der Suche nach einer weiblichen Kollegin und bot mir die Hauptrolle in dem Kindertheaterstück Die kleine Hexe an. Eine erweiterte Version haben wir nach wie vor im Repertoire, für mich ist die Verkörperung dieser Rolle das Schönste, was mir passieren konnte. Das Quasi-Quasar-Theater ist ein mobiles Kindertheater, wir spielen vorwiegend in den Bundesländern und im südlichen Teil Deutschlands. Und in Graz spielen wir seit der Gründung des FRida & freD Kindermuseums zirka zehn Aufführungsblöcke pro Jahr.
Anspuchsvolles Kindertheater
„Das heißt, du gehörst seit 1999 dem Quasi-Quasar-Theater an?“ Ja, genau, denn ich mag diese Art von Kindertheater, das den Schwerpunkt darauf legt, die Bühne für die Kinder in kleinen Mitspielteilen zu öffnen. Neben dem künstlerischen Anspruch, den wir beide haben, spielt das Bühnenbild sowie die fantasievolle Umsetzung eine wichtige Rolle. Die Stücke richten sich an Kinder im Alter von drei bis zehn Jahren. Wir spielen immer zu zweit und haben großen Spaß beim Erarbeiten, dabei entwickelt sich wie von selbst auch immer ein kleiner Part, der sich an die erwachsenen Begleitpersonen richtet. Die Stücke wählen wir gemeinsam aus. Es gibt Kinderbücher, die als Vorlage dienen wie zum Beispiel Das kleine Ich bin Ich oder Die Omama im Apfelbaum von Mira Lobe. Sie zählt übrigens neben der fabelhaften Illustratorin Susi Weigel zu meinen liebsten Kinderbuchautorinnen. Es finden aber auch selbstgeschriebene Stücke wie Der kleine Marienkäfer und Die Henne Henriette oder Die kleine Raupe Pumperlgsund ihren Platz.
Teamplayer
Ich frage sie, wie es um ihre Familie und ihre Beziehungen steht. Als Antwort erhalte ich: „Mir ist es sehr wichtig, dass es meiner Familie gut geht, allerdings habe ich oft sehr wenig Zeit für meine Kinder, die zum Glück nicht mehr all zu klein und auch nicht sehr nachtragend sind. Als sie noch kleiner waren, war ich oft sehr zerrissen: Einerseits war da der Beruf, der mir sehr viel abverlangte und andererseits meine Rolle als Mutter. Ich kam oft ganz schön an meine Grenzen. Mittlerweile bin ich sehr froh, dass die beiden mit ihren achtzehn und dreizehn Jahren schon so selbständig sind. Beruflich gesehen arbeite ich sehr gerne im Team. Ich schätze meine Kollegen und Kolleginnen sehr und es ist für mich schön, diesen immer wieder in ihren eigenen Theaterstücken zuzusehen. Ich lache gerne – oft schon, wenn ich eine witzige Handlung im Vorfeld nur erahne. Das ist dann manchmal komisch, aber ich stehe dazu – die Pointe kommt ja. Auch meine Freundinnen – einfach generell die soziale Interaktion mit anderen Menschen – bedeuten mir sehr viel. Ich bin eben eine gesellige Person und unterhalte mich gerne, dabei gibt so gut wie keine Gesprächsthemen, die mich nicht irgendwie interessieren.“
Mit Freude in die Zukunft
„Welche Wünsche und Ziele hast du, was möchtest du noch alles umsetzen und erreichen?“ Katharina Aschauer dürfte mit ihrem Leben sehr zufrieden sein, denn mit ihren Wünschen schlägt sie keine Kapriolen: „Mein Ziel und mein Wunsch ist es, noch lange weiter spielen zu dürfen und zu können. In einem Film hab ich bisher auch noch nie mitgewirkt, vielleicht wäre das etwas, das ich noch machen möchte. Bei einer größeren Produktion – vielleicht auch mit Drehbühne mitzuwirken – das wäre auch noch etwas, das mich reizen würde. Alles was ich bisher gemacht habe, hat irgendwie Sinn gemacht. Das sehe ich rückblickend wirklich so. Mein Leben verlief nicht immer reibungslos. Ich hatte oft mit schweren Selbstzweifel zu kämpfen und kenne neben den frohlockenden Höhen auch die Tiefen. Die bin ich in meinen jungen Jahren wirklich durchgegangen. Ich weiß natürlich nicht, was das Leben für mich noch alles bereit hält, aber ich Blicke der Zukunft sehr positiv entgegen und freue mich auf weitere Herausforderungen.“
Kokett fügt sie hinzu: „Wenn ich alt bin, hätte ich gerne eine Statue von mir oder zumindest von einer Rolle, die ich verkörpert habe. Warum ich diesen Wunschtraum habe, kann ich nicht sagen.“
Infos:
http://www.quasi-quasar-theater.at/
https://www.facebook.com/Quasi-Quasar-Theater-193105897553226/
https://www.facebook.com/MURFESTIVAL/
Foto Porträt: Sissi Furgler
Fotos Theater: Johannes Gellner ♥️