Karin Theiss: Hinter dem Lächeln der Clownin

ein Beitrag von Mona May

Der Slogan der Cliniclowns lautet „Lachen ist Hoffnung“. Ja, aber ist es nicht noch viel, viel mehr? Ist das Lachen und vor allem das gemeinsame Lachen, nicht auch Ausdruck von zwischenmenschlicher Verbundenheit und sozialer Nähe? Und kann Lachen nicht sogar die Heilung und die Gesundheit allgemein fördern?

Auf jeden Fall wird diese These von der Gelotologie = Lachforschung, die sich als relativ junge Wissenschaft mit den körperlichen, geistigen und psychischen Auswirkungen des Lachens beschäftigt, bestätigt. Die Gelotologie geht auf den US-amerikanischen Psychiater William Fry zurück, der im Jahre 1964 das Institut für Humorforschung an der Stanford Universität in Kalifornien / USA gegründet hat. Er war ein Pionier in Sachen Therapeutischer Humor und fand zum Beispiel heraus, dass nur zwanzig Sekunden Lachen den Körper genauso fordern wie drei Minuten Joggen.

Warum diese Einführung in das Lachen aus wissenschaftlicher Sicht? Nun, weil ich heute die große Freude habe, eine Künstlerin vorstellen zu dürfen, deren Metier das liebenswürdige Stolpern und die gekonnte Tollpatschigkeit ist. Die sozusagen eine Expertin auf diesem Gebiet ist und die die transformatorische Kraft des Lachens zum eigenen und zum Wohl anderer nutzt. Ja, die Rede ist von Karin Theiss, die als Clownin die Gelotologie in Form einer angewandter Clownerie betreibt oder besser gesagt lebt – sie uns vorlebt. Sie zeigt uns anschaulich und vorbildlich, welche Kraft dem Lachen oder auch einem Lächeln innewohnt und wie befreiend es sein kann, auch mal über sich selbst und das Leben lachen zu können.

Die Künstlerin ist zudem 2005 selbst an ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue Syndrom → https://mecfs.at/ueber-me-cfs) erkrankt und weiß also genau, wovon sie spricht, wenn sie sagt: „Humor und Lachen und dazu eine tägliche Dosis Kunst, sind die beste Medizin.“

Dabei liebt sie es andere zum Lachen zu bringen und führt uns die Kunst über die eigenen Beine zu stolpern vor oder sie erklärt uns mit einem verspielten Schmunzeln um den Mund herum, warum Missgeschicke der Stoff sind, aus dem die Träume einer Clownin bestehen.

Sie hat sich auch als Workshopleiterin einen Namen gemacht und bietet eine Clownworkshop-Reihe unter dem Motto „Die Sonne ins Herz lachen“ in Wien und Graz an. Diese erfreuen sich großer Beliebtheit und wer nun neugierig geworden ist, hat am 18. April, sowie am 9. Juni in Graz und am 15. Juni in Wien die Gelegenheit dazu daran teilzunehmen. Zur Anmeldung geht es hier: www.karin-theiss.com

Ich kenne Karin Theiss seit etlichen Jahren, wobei sich unsere Begegnungen auf wenige, mehr zufällig stattfindende Treffen zwischen Tür und Angel im Probenhaus des Anderen Theaters in Graz abspielten. Wir lebten und arbeiteten damals beide in Graz, ich als Tanz- und Theaterschaffende und sie als Clownin.

Dann verloren wir uns aus den Augen.

Aber trotz der flüchtigen Natur unserer Bekanntschaft, blieb mir Karin im Gedächtnis, nicht zuletzt, weil die wenigen kurzen Gespräche, die wir führten, immer etwas Helles, Freundliches und Ermutigendes in mir hinterließen. Und sie schien mir, so wie ich, das Wahrhafte – was immer das ist – in ihrer künstlerischen Arbeit zu suchen.

Und dann kam Corona und viele Kontakte blühten via Social Media Kanälen wieder auf und auf einmal tauchte auch sie wieder auf. Sehr zu meiner Freude. Ab nun flatterten über diese Kanäle ihre teils erheiternden, treils ernsthaften und tiefgründigen Beiträge in mein Leben herein und blieben nicht spurlos an mir hängen. So wurde ich neugierig, was sich denn in ihrem Leben in der Zwischenzeit alles ereignet hätte und wie es verlaufen war.

Irgendwie verspürte ich des Öfteren den Impuls Karin Theiss zum Interview zu bitten, aber erst jetzt kam ich dazu.

Das Interview

Hallo liebe Karin Theiss, schön, dass ich dich interviewen darf. Meine ersten Fragen beziehen sich auf deinen biografischen Hintergrund: „Würdest du mir verraten, wann und wo du geboren wurdest?“

Zuerst einmal danke für die Einladung zu diesem Interview, die Freude ist ganz auf meiner Seite. Also ich bin am 11.6.1970 in Wien zur Welt gekommen.

Bist du mit Geschwistern aufgewachsen und wer und wie waren deine Eltern?

Ja, ich habe zwei Schwestern. Von uns dreien bin ich die Älteste, wobei eine meiner Schwestern eineinhalb Jahre jünger ist als ich und die andere acht Jahre.

Meine Eltern sind als Angehörige einer deutschsprachigen Minderheit, nämlich der Siebenbürger Sächs*innen, in Rumänien auf die Welt gekommen. Aufgrund der Endkriegswirren ist jeweils einer ihrer Elternteile in Wien gelandet.

Die Familien sind mütterlicherseits 1950 und väterlicherseits 1959 nach Österreich nachgezogen. Und so haben sich meine Eltern als junge Menschen in der Volkstanzgruppe des Vereins der Siebenbürger Sachsen kennen- und dann liebengelernt.

Bitte beschreibe das Milieu in dem du herangewachsen bist?

Meine Eltern haben ihre Herkunft gepflegt und ich bin mit dieser Herkunftspflege aufgewachsen.

Mein Vater hat einen Lehrberuf erlernt und meine Mutter besuchte die Handelschule. Später war mein Vater bei der Stadt Wien angestellt und meine Mutter arbeitete als Handelsangestellte. Ich würde uns als Mittelschichtsfamilie bezeichnen, wir waren nicht arm, konnten uns aber andererseits Verschiedenes nicht leisten.

Für meine Eltern war es wichtig, dass wir Kinder die Matura machen. Dieser Bildungsaufstieg war vorgesehen, studieren allerdings nicht und mein diesbezüglicher Wunsch wurde dementsprechend verhalten aufgenommen.

Es war in meiner Familie wichtig, die Dinge so zu tun, wie sie gewohnt und vorgesehen waren. Abweichungen davon konnten dem Kind nachgesehen werden, spätestens aber beim Eintritt ins Erwachsenenalter war Schluss damit.

Künstler*in zu werden, war somit keine denkbare Option.

Als Kind hatte ich keinerlei Berufswünsche oder –träume, erst im Alter von fünfzehn Jahren konkretisierte sich ein Berufswunsch: ich wollte Musicaltänzerin werden.

Dafür übte ich voller Eifer alleine und regelmäßig in meinem Zimmer, überraschenderweise unterstützte meine Mutter meinen Traum sogar. Allerdings zerbröselte dieser schnell wieder, denn mein Umfeld war der Meinung, dass ich mit meinen fünfzehn Jahren zu alt sei, um tanzen zu lernen. Ich wusste es damals nicht besser und verfügte auch nicht über die inneren Ressourcen, trotz dieser Widerstände, meinem Berufswunsch zu folgen.

So orientierte ich mich rasch um und entschied mich für „etwas Soziales“, das war vorerst auch die richtige Entscheidung.

Wie stand deine Familie zur Kunst, gibt oder gab es noch andere Künstler*innen? Wenn ja, wer war das und welche Kunst übten sie aus?

Nein, Künstler*innen in dem Sinn gab es in meiner Familie nicht. Meine Großmutter mütterlicherseits war ungemein musikalisch, aber erst als Erwachsene begriff ich das gesamte Ausmaß ihres enormen Talentes. Sie war eine hervorragende Geigerin. Eine ihrer Töchter erbte diese Musikalität, aber auch sie hat die Musik nicht zu ihrem Beruf gemacht. Dass sie aber zeit ihres Lebens sehr wohl eine große Sehnsucht nach einer Gesangslaufbahn hatte, erfuhr ich auch erst als Erwachsene.

In meiner Generation gibt es außer mir noch meine jüngere Schwester, die künstlerisch tätig ist, sie hat eine große Begabung für die bildende Kunst.

Wie hast du dann zur Kunst gefunden, wie ging es weiter, wie kam es, dass du bei der Clownerie gelandet bist?

Ich bin also zuerst Sozialarbeiterin geworden und arbeitete in meinem zweiten Job in einer sozialpädagogischen Jugendwohngemeinschaft. Auch wenn ich diese Arbeit immer noch für sehr schön und sinnvoll halte, so ist sie auch eine der anstrengendsten im Sozialbereich.

Bei mir führte diese Anstrengung letztendlich dazu, dass ich mich von der Sozialarbeit verabschiedete. Zu diesem Zeitpunkt war ich neunundzwanzig Jahre alt und hatte bereits einige Jahre Gesangsunterricht genommen.

Ich habe immer schon gerne gesungen und als Kind mit meiner um eineinhalb Jahre jüngeren Schwester ganze Nachmittage damit zugebracht, sämtliche Lieder, die wir kannten, aus allen möglichen Gesangsbücher zu singen. Dabei hatten wir großen Spaß. Und auch in der Unterstufe im Gymnasium wirkte ich im Schulchor, der zweimal wöchenntlich vor dem regulären Schulunterricht stattfand, mit.

Als ich 1995 nach Graz zog, begann ich dort dann Gesangsunterricht zu nehmen. Ich wollte nämlich wieder in einem Chor singen und habe mich deswegen bei einem vorgestellt. Der Chorleiter ließ mich vorsingen und meinte anschließend: „Ihre Stimme ist schon schön, aber Sie singen zu ungenau.“ und nahm mich nicht auf. Er empfahl mir stattdessen Stimmbildung.

Das hat mich so gekränkt, dass ich beschloss Gesangsunterricht zu nehmen, denn „dort könnte ich nicht weggeschickt werden“, dachte ich mir. Ich nahm also bei einer Gesangsstudentin Unterricht. Später sollte sich herausstellen, dass auch sie nicht alle Unterrichtswilligen annahm.

Mit der Entscheidung, die Sozialarbeit sein zu lassen, wollte ich sehen, was ich sonst noch alles kann, dabei stand das Singen ganz weit oben auf meiner Liste.

Schon bald fing ich mit der Freundin eines Freundes an zweistimmige Lieder zu proben. Diese Freundin wurde kurz darauf bei den Roten Nasen aufgenommen und organisierte dann einen Clownworkshop mit, sie fragte mich, ob ich Lust hätte daran teilzunehmen. Das hatte ich und ich fing Feuer!

 

Kannst du uns das Wesen der Clownin näher bringen und uns in das Wesentliche der Clownerie einführen?

Die Hauptfigur der Clownerie ist die Clown:in. Sie zeichnet sich durch eine spezielle Haltung aus, die Welt zu rezipieren und mit ihr umzugehen. Diese Haltung gleicht der Art und Weise, wie kleine Kinder sich die Welt aneignen. Im Fall der Clownfigur ist diese Haltung das Charakteristikum.

Die Clownerie kommt spielerisch und leicht daher und erlaubt einen völlig anderen Blick auf die Welt. Daraus ergeben sich überraschende Verschiebungen unserer Perspektiven, die uns sehr erfreuen können.

Die Clown:in ist eine naive Figur, wobei sich durch diese Naivität große Handlungsspielräume ergeben. Konsequent angewandte Naivität kann tatsächlich eine beachtliche Subversion erzeugen.

Die Clownerie weiß allerdings auch um ihr Menschsein, also um ihre Menschlich-keit, so kennt sie die allerhöchsten Höhen und die allertiefsten Tiefen. Dabei verfügt sie über die leise Gabe alle und alles in leichtere Gefilde zu transportieren und dadurch zu transformieren. Ich finde, das ist ein sehr zärtlicher Zugang und Umgang mit allem Menschlichen – mit den Schwächen und Stärken genauso. Und dafür liebe ich die Clownerie.

Erzähle mir bitte etwas über die Künstlerin und die Clownin Karin Theiss: wer ist sie, warum tut sie, was sie tut? Wie arbeitest du? Was sind deine Motive?

Ich tue, was ich tue, weil es mir entspricht. Es macht mich glücklich und das ist nicht wenig.

Zuallererst möchte ich gut unterhalten. Dann liebe ich am Clowninnen-Sein, in dieser Rolle „angreifbar“ und verletzlich zu sein. Das ermöglicht mir zu berühren, wodurch eine Verbindung zum Publikum entsteht, ein gemeinsames „Jetzt und Hier Sein“, das in meinen Augen so wertvoll ist. Es ist einerseits total flüchtig und andererseits ungeheuer nachhaltig. Und dann freut es mich ganz einfach, Menschen zum Lachen zu bringen. Für mich ist das eine Gnade.

Meine Ideen entstehen, wenn ich etwas amüsant oder komisch finde, dann bekomme ich Lust eine Nummer oder ein Stück daraus zu machen.

Bedeutsam ist für mich auch meine Workshoptätigkeit. Es erfüllt mich mit großer Freude, Clownerie an Interessierte weiterzugeben und mitzuerleben, wie wiederum die Teilnehmer*innen davon erfüllt werden.

In den letzten Jahren habe ich verschiedene Workshopkonzepte erarbeitet und angeboten: Da wäre zum einen „Clowneske Kommunikation in pädagogischen Kontexten“ und zum anderen „Der Clownworkshop als Methode zur Lebensfreudeförderung bei traumatisierten Kindern“. Letzteres Format habe ich im Zuge meiner Ausbildung zur Akademischen Trauma- und Resilienzberaterin entwickelt.

Ich singe nach wie vor sehr gerne und baue das immer wieder in meine Clownnummern und Stücke ein – gelegentlich schreibe ich sogar selbst Lieder.

Mittlerweile ist auch das Schreiben Teil meiner künstlerischen Tätigkeit geworden. Zuletzt habe ich alle meine Gedichte, die seit 2011 regelmäßig meinen Newsletter begleiten, als Buch herausgebracht.

Was bedeutet dir dein Kunstschaffen? Ist es ein Instrument, um der Welt deine Ansichten mitzuteilen oder … ? Mich interessiert auch mit welchem „Stoff“ du inhaltlich arbeitest und wie du deine Themen findest?

Mein Kunstschaffen ist meine Art, mich in der Welt auszudrücken. Wie schon gesagt, es macht mich glücklich. Und dann habe ich entdeckt, dass das, was mich glücklich macht, auch andere glücklich macht, na ja, wenn das nicht der Welt dient?!

Ich habe auch schon erzählt, wie ich zu meinen Ideen komme: Wenn ich von etwas ergriffen werde und ein Stück erarbeiten möchte, dann mache ich mich auf die Suche nach einem dazupassenden und mich bewegenden Thema, um dem, was in uns allen „um die tiefe Menschlich-keit weiß“, Ausdruck zu verleihen.

Für mich ist das jedes Mal wieder eine große, aber auch sehr schöne Herausforderung, das gefundene Thema in eine clowneske Übersetzung zu bringen.

Das führt mich zu meinen nächsten Fragen: Wo arbeitest du, also wo finden die Proben statt und wo führst du deine Clown-Stücke beziehungsweise Nummern auf? Mich würde auch interessieren, ob du von deiner künstlerischen Arbeit leben kannst?

Zurzeit probe ich vorwiegend bei mir Zuhause, das ist nicht optimal, weil der Raum natürlich begrenzt ist.

In Wien haben wir zum Glück das Theater Olé im 3. Bezirk. Das Olé ist ein Theater, das sich dezidiert dem Clowntheater und der Clownerie verschrieben hat. Dort kann ich immer anfragen, wenn ich ein Stück spielen will.

Ich bin außerdem für unterschiedliche Anlässe als Clownin buchbar, wobei es mir besondere Freude macht, mir speziell für einen Anlass etwas zu überlegen. Ende Mai zum Beispiel darf ich mir eine halbe Stunde Programm zum 60jährigen Jubiläum einer evangelischen Kirche in Tirol überlegen. Das wird fein!

Wenn es mir meine Zeit erlaubt, frage ich auch noch bei diversen Theatern und Festivals an. Zurzeit lebe ich aber nicht von meiner künstlerischen Tätigkeit, das hat alles mit meiner speziellen Situation zu tun.

Welche Vorbilder prägten dich? Hattest du Lehrer_innen, die extrem wichtig für dich waren? Welche Ausbildungen hast du genossen?

Ich habe keine Ausbildung gemacht und nur sehr wenige Clownworkshops besucht. Was ich aber von Anfang an gemacnt habe, das war mit Menschen zusammenzuarbeiten, die besser waren, als ich. Und ich besuchte Workshops, die auch mit Bühne zu tun hatten, bei denen ich Aspekte schulen konnte, die mir grundsätzlich für das auf der Bühne-Sein wichtig erschienen.

Ich war immer sehr glücklich mit dem Learning by Doing.

Vorbilder waren für mich Clowninnen, denen ich bei ihrer Arbeit zugeschen und mir gedacht habe: so will ich das auch machen. Das waren zum Beispiel Gardi Hutter und Nola Rae.

Hast du Preise gewonnen oder an „wichtigen“ Festivals teilgenommen?

Ich habe weder Preise gewonnen noch an wichtigen Festivals teilgenommen. Zu Beginn meiner künstlerischen Laufbahn wäre mir das wichtig gewesen, mittlerweile finde ich meinen Frieden dabei, mich und andere glücklich zu machen.

Gehören für dich soziales Engagement und/oder gesellschaftspolitische Themen und Kunst zusammen?

Das gehört für mich nicht vorrangig zusammen, das gehört für mich zum Mensch-Sein.

Meine Kunst ist nicht augenscheinlich gesellschaftspolitisch, sie ist, dem Wesen der Clownerie entsprechend, subversiv gesellschaftspolitisch.

Es widerstrebt mir, um gesellschaftspolitisch relevant zu sein, meine Kunst dahingehend zu formen, wenn ich gleichzeitig nicht das Gefühl habe, das dient und entspricht meinem künstlerischen Schaffen.

Ich nehme da eher die Haltung ein, dass Kunst um verdienterweise Aufmerksamkeit zu erhalten einem wahrhaftigen Ausdruck entspringen muss, anstatt einen Zweck zu verfolgen. Letzteres interessiert mich als Person nicht, denn ich würde mich dabei bevormundet und bevormundend fühlen.

Wie gestaltet sich deine augenblickliche Lebenssituation und wie ist dein Lebensgefühl?

Ich lebe seit 2005 mit ME/CFS. Das ist eine schwere Multisystemerkrankung, die im Zusammenhang mit Long Covid in letzter Zeit oft in den Medien war. ME/CFS geht immer mit einer Leistungseinschränkung unterschiedlichen Schweregrades einher.

Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände liegt meine Leistungseinschränkung mittlerweile bei 75 Prozent. Mit der mir verbliebenen Leistungsfähigkeit lässt sich kein wie auch immer geartetes Einkommen erarbeiten, von dem es sich leben lässt.

Das heißt, dass ich, so wie viele andere auch, die von ME/CFS betroffen sind einen Kampf mit der PVA um Berufsunfähigkeitspension ausfechte. ME/CFS ist eine Erkrankung, die immer noch von vielen Ärzt*innen und damit auch von Gutachter*innen nicht anerkannt wird. Das ist eine sehr belastende Situation.

In dieser belastenden Situation pflege ich dennoch meine Kunst und habe mir eine tägliche Dosis – egal wie groß diese ist – „Kunst machen“ verordnet. Und ich erlebe dabei, dass ich mich, wenn ich „Kunst mache“, besser und zufriedener fühle.

Spannend finde ich in diesem Zusammenhang auch, dass es mittlerweile tatsächlich Untersuchungen gibt, die bestätigen, dass das eigene Kunstschaffen, aber auch das Mit-Erleben von Kunst als Rezipient*in die Gesundwerdung und die Gesunderhaltung fördert. Dieses Wissen haben wir der Salutogenese zu verdanken, die von Aaron Antonovsky begründet wurde, sie stellt ein Modell dar, das die Entstehung von Gesundheit erklärt.

So gelange ich zu einem Lebensgefühl, bei dem ich mein Leben mit all seinen gravierenden Einschränkungen „gut“ finden kann. Und das „Kunst machen“ spielt dabei eine große Rolle.

Wäre ich gesund, wäre die Liste meiner Ideen, die auf ihre Umsetzung harren so lang, sodass ich davon überzeugt bin, dass sie mir die Möglichkeit gäben, mir mit meiner Clownerie meinen Lebensunterhalt zu verdienen.

 

Was bedeuten dir die Begriffe Familie und Heimat?

Heimat war für mich eine Suche.

Durch dem Umstand, dass meine Eltern nicht in Österreich zur Welt kamen und ich dann als Kind einem Umzug von Wien nach Niederösterreich miterleben musste, der mit einem Schulwechsel verbunden war, trat ein Zustand anhaltender Verwirrung bezüglich meiner Verortung ein. Der löste sich erst im Alter von achtunddreißig Jahren, durch einen dreimonatigen Aufenthalt im Heimatland meiner Eltern, auf. Danach beschloss ich, dass ich Wienerin bin und seitdem ist alles gut.

Familie ist für mich eine schwierige Angelegenheit, aber ich bin mir bewusst, dass das nicht so sein muss.

Und schon bin ich bei meiner vorletzten Frage: Lebst du in einer Beziehung, hast du Kinder und wenn ja, sind diese für dich in Bezug auf deine künstlerische Tätigkeit wichtig?

Ich lebe zurzeit in keiner Beziehung. Ich selbst habe auch keine Kinder. Obwohl ich Kinder liebe und sie mir sehr wichtig sind. Ich habe gerne mit ihnen zu tun und arbeite auch sehr gerne mit ihnen.

Was sind deine Ziele, was möchtest du noch erreichen, gibt es Pläne für die Zukunft, auch über deine Hoffnungen und Ambitionen möchte ich gerne etwas erfahren?

Ich habe keine großen Ziele mehr. Ich habe einen Haufen Ideen, zu dem auch laufend immer neue dazukommen. Was auch bedeutet, dass sie mir nicht ausgehen. Und das ist schön. Genauso wenig wie meine Lust sie umzusetzen. Dies alles mache ich nach Möglichkeit freudvoll.

Ich möchte und werde meine Kunst weiterhin ernstnehmen und sie in Ernsthaftigkeit zu meiner Freude und zur Freude anderer umsetzen.

Danke, liebe Karin Theiss, für das Interview. Ich wünsche dir alles erdenklich Gute für die Zukunft und bei der Umsetzung deiner Projekte.

Nähere Infos:

www.karin-theiss.com

Youtube: https://www.youtube.com/channel/UCUBeuACil9zkncchfBg9UXw

Facebook: https://www.facebook.com/profile.php?id=100013285934303

 

Author: Mona May

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