ein Portrait von Mona May
Mit einer besonders großen Freude darf ich euch heute im Rahmen meiner Aktion Goethe ist tot – wir leben eine weitere Künstlerin vorstellen. In der bildenden Kunst ist ihr Name bereits ein Begriff. Zurecht, denn sie gehört zu den wenigen, die mit einer unglaublichen Akribie und Entschlossenheit in die Materie vordringen können, die sich mit einer ernsthaften Unbekümmertheit in eine Tiefe vorwagen, vor der andere zurückschrecken und die mit all ihrem Herzblut, mit Leib und Seele, das ist, was sie tut: Bildende Künstlerin. Genau genommen Malerin.
Urkraft im Pinselstrich
Verschiedenste Assoziationen verknüpfen sich in meiner Fantasie mit ihren Werken. Urkräfte prallen aufeinander, Götter scheinen Wolken zu entsteigen und ein Harlekin entpuppt sich als Faun. Und sie ist – für mich zumindest – einmal wie eine Göttin, die mit dem Tau des Morgens ihre Bilder malt, ein andermal könnte Apollo höchstpersönlich ihren Pinsel geführt haben oder war es doch Hades? Zart und kraftvoll, figural und abstrakt, eindimensional und mehrdimensional impressionistisch und expressionistisch, von klassischer Schönheit und einem zeitgenössischen Geist zugleich, das und vieles mehr, sind ihre Bilder. Je mehr ich mich in sie vertiefe, umso mehr sprechen sie zu mir. Und das, obwohl es nur Fotos sind, die ich betrachten kann, die ich vergrößere, um Ausschnitte davon an mein Auge heranzuzoomen. Ich bin ihnen ergeben, diesen Bildern, und sobald ich die Gelegenheit dazu habe, werde ich nach Graz / Steiermark reisen, um Andrea Reiter und ihre Werke noch besser kennen lernen zu können.
Emotionale Handschrift
Im Interview mit ihr bestätigt sich das, was ich ohnehin fühle und wahrnehme: „Ich habe meine eigene Handschrift entwickelt, die inzwischen unverkennbar ist. Trotzdem verfolge ich nicht nur eine Richtung in meiner Malerei. Ob abstrakte oder Porträtmalerei bis hin zu Contemporary – habe ich schon alles gemacht, aber alles mit meiner Handschrift. Was ich allerdings sicher nie machen werde ist „dekorative Malerei“. Meine Kunst sollte unbedingt live erlebt werden, um sie zu spüren. Jedes meiner Bilder hat eine Aussage und ist stark mit Emotionen verbunden. Ich arbeite mit Zyklen, also mit Hauptthemen, die mich beschäftigen und die mich stark bewegen. Meine Bilder und Objekte sind vielleicht auf den ersten Blick nicht für jedermann und jede Frau verständlich und sie sollten einfach aus verschiedensten Blickwinkeln angesehen werden, es gibt immer wieder etwas Neues an ihnen zu entdecken.“
Steirische Konsequenz
Was gibt es über das Leben von Andrea Reiter zu erzählen? Einiges, hat sie doch schon vieles erlebt. Alleine hinter den banalen Eckdaten ihre Biografie verbergen sich prägende Lebenserfahrungen. Sie wurde in der Südsteiermark, in Bad Radkersburg, als Älteste von fünf Kindern geboren. Über ihre Eltern sagt sie: „Meine Eltern gehörten zu den fortschrittlich denkenden Menschen, vor allem auch in Bezug auf die Erziehung. Meine Mutter bevorzugte einen demokratischen Erziehungsstil mit weitläufigen Grenzen. Ich genoss sehr viel Freiheit, konnte das Leben erfahren und vieles ausprobieren. Ebenso bestimmten mir zugeteilte Aufgaben mein Leben, das war notwendig, weil beide Eltern berufstätig waren, trotzdem hatte ich nie das Gefühl einer Einengung.“ Obwohl sie in ihrer Ursprungsfamilie nicht die einzige mit einer kreativen Ader war – ein Bruder studierte am Mozarteum in Salzburg, wechselte dann jedoch zur Architektur, zwei weitere Brüder begeisterten sich für die Malerei, gaben diese dann aber auf – blieb sie durch alle Höhen und Tiefen hindurch konsequent am Ball und sich selbst und „ihrer“ Kunst treu.
Kunst und Familie
Ich will von Andrea Reiter wissen: „Wann wurde dir klar, dass du dich der Malerei verschreiben würdest beziehungsweise wann hast du deine Liebe zur Kunst entdeckt?“ Ihre sehr klare Antwort lautet: „Da kann ich dir nur antworten, nie, denn sie war immer vorhanden und für mich etwas völlig Normales und Alltägliches. Und obwohl mein Hauptgebiet die Malerei ist, liebe ich jede andere Form der Kunst, sei es Literatur, Theater, Tanz, Musik, Film, et cetera, genauso.“ Ergänzend fügt sie hinzu: „Unterstützt wurde dieses Gefühl für die Kunst durch lange Diskussionsabende mit Freunden der Familie. Wir durften schon als Kinder daran teilnehmen und uns frei und ungezwungen zu allen möglichen Themen äußern.“ Sie verrät mir noch etwas ganz Persönliches über sich: „Es ist eine große Dankbarkeit in mir, über eine Eigenschaft, die sich durch meine Kindheitserfahrungen entwickelt hat: „Ich empfinde nie Neid oder Missgunst, wenn andere Erfolge haben, sondern freue mich immer mit ihnen mit.“
Alles darf
„Welche Themen reizen dich und wie findest du deine Motive oder arbeitest du einfach darauf los?“, frage ich sie als nächstes. „Ich bin eine hoffnungslose Optimistin und zudem eine Kämpferin für Gerechtigkeit in ALLEM. Das ist mir besonders wichtig und dort sind meine Themen angesiedelt. Auch was die Materialien betrifft bevorzuge ich keine bestimmten und verwende von den herkömmlichen Farben bis zu recycelbaren Materialien alles, denn es hat alles, wirklich alles, seine Berechtigung. Das, was ich gar nicht mag, das sind Oberflächlichkeit, Gewalt, negative Handlungen oder Manipulation und so thematisiere ich auch diese häufig in meiner Arbeit. Aber ich zeige in meiner Malerei auch Möglichkeiten auf, dass das Leben und die Welt so wertvoll und wunderbar sein können, wenn wir uns ihr zuwenden. Für mich ist Kunst dazu da eine Vordenkerin zu sein und dieses Vordenken auch ersichtlich umzusetzen. Aktuelle Probleme und Ungerechtigkeiten aufzugreifen und darzustellen oder die Momente eines intensiven Gefühls bildlich einzufangen und auch durchaus die Betrachter_innen meiner Bilder vorsichtig zu provozieren oder einfach zum Nachdenken anzuregen.“
Reicher Erfahrungserschatz
„Wie ist deine augenblickliche Lebenssituation, was für ein Lebensgefühl hast du, was sind deine Hoffnungen, Ambitionen und Ziele?“ „Ich war immer berufstätig, zurzeit bin ich in einer Tageseinrichtung für behinderte Menschen tätig, auch mit einigen kreativen Projekten. Durch vielerlei Umstände in meiner Vergangenheit war mein erster erlernter Beruf Friseurin und Perückenmacherin. Sofort nach der Ausbildung habe ich mit achtzehn Jahren eine Filiale übernommen, eine Lehrlingsausbildungsprüfung abgelegt und Lehrlinge ausgebildet. Das wurde mir bald zu langweilig, denn ich hatte mit zwanzig Jahren schon alles erreicht, unter anderem auch viele Wettbewerbe gewonnen, also machte ich eine Pflegeausbildung, eine Kinderbetreuungs-Ausbildung und eine Ausbildung in Familienpädagogik, besuchte Kurse in Rhetorik und Pädagogik. Alle meine Ausbildungen habe ich berufsbegleitend und neben meinen drei Kindern, für die ich trotz eines Partners alleine verantwortlich war, absolviert.
Trotz Berufstätigkeit hatten in meinem Leben meine drei Kinder, deren Erziehung und Werdegang immer oberste Priorität. Dadurch musste ich mich künstlerisch zurücknehmen. Zur Zeit ist mein jüngster Sohn in der Absprungphase zum selbständigen Leben und ich kann mich wieder mehr mir selbst und meiner Malerei widmen.”
Internationales Format
Zum Glück hat die Kunstwelt in der Zwischenzeit nicht auf Andrea Reiter vergessen, sondern mit Freude auf ihre Rückkehr gewartet: “So war ich voriges Jahr an der internationalen Art Expo in Ingolstadt eingeladen, dort waren zwei meiner Exponate zum europäischen Kunstpreis nominiert. Heuer habe ich Einladungen zur Internationalen Art Expo nach Lerici / Italien im März und wieder nach Deutschland / Ingolstadt im September bekommen. Außerdem sind wieder einige Vernissagen geplant und ich habe weltweite Einladungen zu Symposien. Dafür muss ich zwar meine ganze Freizeit nutzen, ich freue mich aber natürlich trotzdem sehr darüber. Zudem habe ich heuer im Juni bei der Ausstellung der International Art Award Group teilgenommen, einer Ausstellung in Sydney, die wegen der Coronakrise aber nur online stattgefunden hat.“
Arthouse Arterium
2018 gründete Andrea Reite zusammen mit dem Künstler Tom Bühren, die Plattform Arthouse Arterium. Dabei handelt es sich um eine private Facebookgruppe, bei der abwechselnd Künstler jeder Sparte vorgestellt werden oder sich selbst vorstellen. “Die aktuelle Entwicklung gibt uns sehr zu denken und so wollten wir ein Gegengewicht aufbauen und anbieten. Der Künstler, die Künstlerin mit seiner beziehungsweise ihrer Arbeit soll wieder im Mittelpunkt stehen und nicht nur der alleinige Verkauf oder das Kommerzielle. Wichtig war uns auch eine Plattform der Begegnung zu gründen, einen Ort des Miteinanders. In einer Gemeinschaft vorzuleben, dass es möglich ist sich zu ergänzen und gegenseitig zu fördern. Die jeweilige Arbeit eines Künstlers, einer Künstlerin muss doch nicht gezwungenermaßen der momentanen Strömung angepasst sein. Uns ist einfach nur wichtig, dass es eine „ehrliche“ und gute Arbeit mit Aussage ist.”
Infos:
https://www.facebook.com/andrea.austria49
ARTHOUSE ARTerium
https://www.facebook.com/groups/496938027485881/