Christine Scherzer: Geballtes Talent

 

ein Portrait von Mona May

Sie hat eine blitzschnelle Auffassungsgabe, bringt mit ihrem Lächeln Herzen zum Schmelzen und wenn sie singt, dann hat das etwas tief Anrührendes und unter die Haut Gehendes. Mit ihrem Schauspiel dringt sie in die Köpfe ihres Publikums ein und wenn sie tanzt, stehen Raum und Zeit still. Egal, was sie tut, es ist schwer sich von ihr nicht fesseln und faszinieren zu lassen. Sie ist ein Hochtalent und das nicht nur in einer Sache, sondern gleich in mehreren: das Multitalent Christine Scherzer.  Sie darf ich euch heute – und es ist mir eine sehr große Freude – im Rahmen meiner Aktion Goethe ist tot – wir leben vorstellen. Was ist an der Musikerin, Sängerin, Schauspielerin, Tänzerin, Performerin und Clownin, abgesehen von der Vielfältigkeit ihres Könnens und abgesehen davon, dass sie eine Vollblutkünstlerin ist, so besonders?

vibrierende Intensität

Nun, es ist wie gesagt schon alleine ein Wahnsinn, was sie alles unter einen Hut bringt und vor allen Dingen mit welcher Qualität, denn sie tut alles, was sie tut, mit hundertprozentiger Konzentration und Hingabe. Da ist nichts Laues, alles hat eine vibrierende Intensität, selbst die ruhigen Momente haben etwas Prickelndes und sogar Pausen werden meisterlich für dramaturgische Höhepunkte genutzt.

Und wenn sie in der richtigen Stimmung ist, dann kann sie ohne Ende lachen und Witze erzählen und zur Alleinunterhalterin werden, aber immer mit einem Auge bei den anderen, voller Empathie und nie auf Kosten anderer. Oft hatte ich den Eindruck, sie hat für jeden Menschen und für jede Situation den genau passenden Witz. Andererseits wiederum kann sie in sich gekehrt und still sein UND sie kann eine fantastische Zuhörerin und Gesprächspartnerin sein. Mit ihr zu arbeiten ist pure Freude und der Lustfaktor steigt, denn Dank ihrer überbordenden Kreativität und zudem ihrer Disziplin ist sie ein Gewinn für jede Theaterproduktion und für jedes künstlerische Projekt.
Das kann ich aus eigener Erfahrung, also mit Fug und Recht, behaupten, denn ich durfte Christine Scherzer nicht nur fünf Jahre lang im Zeitgenössischen Tanz und in Organisch-Organisierter Bewegung ausbilden und mit ihr in eigenen Choreografien auf der Bühne stehen, sie war auch Gründungsmitglied meiner Tanz-Company subsTANZ.

Authentisch und wandlungsfähig

Ich hatte oft den Verdacht, dass sie an mehreren Orten zugleich sein kann. Wenn nicht das, dann kann sie zumindest mehrere Dinge in ein und dem selben Moment tun: sie kann fokussiert und zerstreut gleichzeitig sein, genauso wie sie lachen und weinen, singend Purzelbäume schlagen und dabei auch noch Schlagzeug spielen kann. Oder sie jongliert und monologisiert, ist quirlig und ruhig in einem, klopft einem Kollegen burschikos auf die Schulter, während sie den anderen ganz ladylike verführt – und wie gesagt, das alles zur gleichen Zeit. Es kann einem schwindlig beim Zusehen werden, so rasant kann sie von der einen Rolle in die andere schlüpfen und dabei wirkt sie immer glaubwürdig und echt, weil sie in allem, was sie tut, authentisch ist. So sagt sie auch über sich selbst: Das Allerwichtigste ist, die best mögliche menschliche Version von mir selbst zu sein und mich immer weiter zu entwickeln – denn ich kann als Künstlerin nur so gut sein, wie ich es als Mensch bin. Bevor ich Künstlerin oder Frau oder sonst etwas bin, bin ich MENSCH.

Wie ist eine Person, die so etwas über sich sagt aufgewachsen? Hat ihre Kindheit, haben ihre Prägungen damit zu tun, das und noch viel mehr will ich von Christine Scherzer wissen. Aber lassen wir sie jetzt selbst zu Wort kommen:
Ich wurde 1978 in Russland, im Moskauer Gebiet, als älteste Tochter von dreien geboren, wobei die jüngste eine Halbschwester ist und zur Welt kam, als ich schon zwanzig war. Meine andere Schwester ist fünf Jahre jünger als ich. Wir haben in unserer Kindheit gerne und viel miteinander gesungen, sogar mehrstimmig. Von meinem siebten Monat bis zu meinem sechsten Lebensjahr wohnten wir in Berlin-Adlershof. Dann zogen wir nach Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, wo ich bis zu meinem achtzehnten Lebensjahr die Schulbank drückte. 1996 zog ich nach Leipzig, um Kunstgeschichte zu studieren.” 
„Wie ging es dann in Leipzig weiter?“, frage ich Christine Scherzer. „Nun, während meiner Studienzeit in Leipzig war ich Mitglied der Pantomimegruppe „pantomotten“ und spielte und sang zuerst in einem Jazz-Impro-Tanz-Trio, später wirkte ich in einem Jazz-Quartett als Sängerin mit. Das waren meine Anfänge als Performerin mit Straßentheater, kleinen Konzerten und Gigs in Cafés.

1999 bin ich – für ein Studium des Jazz-Gesangs an de Kunstuniversität – nach Graz umgezogen. Dort wurde ich von meiner Lehrerin Sheila Jordan immer in meiner individuellen Ausdrucksvielfalt bestärkt und unterstützt. Es war ihre Idee gewesen, damals bei meinem ersten öffentlichen Auftritt im Rahmen der Semester-Konzerte „Vocal Nights“ im Grazer Wist eine kleine Pantomime-Etüde von mir zwischen zwei Jazz-Nummern einzubauen. Besonders Sheila und meine Lehrer Mark Murphy, aber auch Jay Clayton, haben mich sehr inspiriert – durch ihre unglaublich starken Persönlichkeiten, ihren Humor, ihre unbändige Kreativität. Sheila und Mark sind große Jazz-Improvisatoren mit großer Bühnenpräsenz. Ich habe durch sie und von ihnen so viel gelernt – allein durch ihr Dasein. Habe alles aufgesaugt wie ein Schwamm und zehre noch heute von diesen Erfahrungen. Musik war immer ein ganz natürlicher, selbstverständlicher Bestandteil meines Lebens, aber nie hätte ich gedacht, ich würde mal Musik studieren. Eher dachte ich, ich gehe auf die Kunst-Uni und studiere dort Grafik-Buchkunst oder Malerei oder Schauspiel. Im Jahre 2001 begann ich bei Mona May Tanzunterricht zu nehmen und bald darauf in der von ihr und ihren Ausbildungsschülerinnen gegründeten Company subsTanz zu tanzen.

Prägende Kinderjahre

„Deine vielen Talente haben sich ja sicherlich sehr früh gezeigt, mich interessiert einerseits, wie bist du damit umgegangen und andererseits, wie hat dein Umfeld darauf reagiert?“ „Dass ich gewisse Talente besaß, war meinen Eltern sicher bewusst, sie haben jedoch viel gearbeitet und sich nicht um irgendeine spezielle Förderung gekümmert. Als Teenager malte und zeichnete ich viel, das war ein wichtiges Ventil, um meinen inneren Tumult auszudrücken. Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, so waren für mich die Aufenthalte in den Sommerferien bei meiner russischen Familie am Allerschönsten. Und diese waren musikalisch prägend für mich, denn meine Großeltern hatten ein Klavier und mein Großvater und meine Tante spielten leidenschaftlich gerne Akkordeon. Mein Großvater hatte sich das Akkordeonspielen selbst beigebracht und sich damit auf Hochzeiten und Festen etwas dazu verdient. Ich erinnere mich, wie ich als kleines Mädchen am Klavier saß und Melodien nach Gehör zu spielen versuchte. Es wurde immer viel gesungen und gelacht, aber auch geschimpft und sich wieder vertragen. So richtig schön emotional und dramatisch, wie sich das gehört in russischen Familien. Ich liebte das gemeinsame Singen und wenn meine Tante am Klavier spielte und wir alle gemeinsam russische Lieder sangen, dann improvisierte ich schon damals neue Stimmen dazu. Die Musikalität und den Hang zum Theatralen habe ich also von meiner russischen Mutter und Familie geerbt. Mein deutscher Vater war Wissenschaftler und hat sehr viel gearbeitet und war oft auf Dienstreisen.


In Berlin war ich als Kind oft krank und deshalb mit vier Jahren mal auf einer dreimonatigen Kur, ohne jeglichen Kontakt zu meiner Familie. Ich hab erst viele Jahre später mit Ende Zwanzig erkannt, wie sehr mich dieser Aufenthalt damals geprägt hatte – in Bezug auf Beziehungen zu Menschen und auch in Bezug auf ein Grundthema in meinem Leben: die Einsamkeit. Damals hab ich mit Bäumen und Dingen und mit mir selbst zu reden und mit dem Bauen meiner eigenen, inneren Gedankenwelt begonnen.
Am Glücklichsten war ich immer in der Natur, oft habe ich lange Spaziergänge unternommen, bin auf Bäume geklettert und durch Wälder und Felder gestromert oder wenn ich für mich getanzt habe oder beim Zeichnen und Singen. Und wenn ich andere Menschen unterhalten und zum Lachen bringen konnte, das hat mich auch immer glücklich gemacht. 
Eine meiner frühesten Erinnerungen stammt von einer Kindergartenfaschingsfeier, wo ich als Tänzerin verkleidet gewesen bin – mit Baströckchen und Pailletten-Stirnband. Eine Kindergärtnerin spielte auf dem Akkordeon und plötzlich riefen alle, ich solle doch mal tanzen und so stellte ich mich in die Mitte des Kreises und tanzte für alle – ganz alleine. Als ich aufhören wollte, schrien alle: „Nein, weitermachen!“ Und so tanzte ich immer weiter, bis mir schon die Puste ausging, aber ich war total glücklich!

Später, das war schon in Chemnitz und ich muss wohl zwischen dreizehn und vierzehn gewesen sein, bekam ich eine CD mit Gershwins „Rhapsody in blue“ in die Hände, diese Musik brachte mich schon im Musikunterricht zum Weinen, weil mich die Kraft meiner musikalischen Empfindungen einfach umhaute. Ich liebte Jazz und das damit verbundene Improvisieren schon, lange bevor ich überhaupt wusste, dass es so etwas gab. Im Musikunterricht erfand ich zum Beispiel beim Singen einfach neue Melodien und brachte dadurch alle anderen aus ihrer Stimme und zur Verzweiflung. Improvisieren hat mir schon immer am meisten Spaß gemacht. Jedenfalls hatte ich eine „Rhapsody in blue“-Phase, wo ich jeden Tag, wenn ich von der Schule nach Hause kam und noch keiner Zuhause war die CD einlegte und das ganze Stück durchtanzte. Diese Musik beflügelte und inspirierte .mich damals so, ich war ganz erfüllt von ihr und hatte das Gefühl, nicht alleine im Wohnzimmer zu tanzen, sondern auf einer großen Bühne und die ganze Welt schaut mir dabei zu.

Mit vierzehn besuchte ich zwei Jahre lang einen Jazz-Dance-Kurs, mein damaliger Lehrer wählte mich auch oft aus, um den anderen Schülerinnen die wichtigsten Punkte der Choreografie zu demonstrieren. Als ich sechzehn war, zog der neue Lebenspartner meiner Mutter bei uns ein. Er war Jazz-Bassist und brachte seine ganzen Jazz-Kassetten mit. Das war alles instrumentaler Jazz, Jazz-Rock, Fusion, Funk und Soulmusik. Der Hammer! Ich zog mir stundenlang diese Musik rein und konnte schon bald die Soli mitsingen. Für mich eröffnete sich damals ein Universum, das mir so vertraut und doch so aufregend und neu war. Und ich konnte das mit niemandem teilen, denn als ich einmal einer Freundin die Sachen vorspielte, meinte sie nur: „Äh, was is’n das für ne Musik – da kann man doch gar nicht mitsingen.“

Teamplayer

„Kannst du von deinem Beruf leben?“ „Ja. Schon immer. Das künstlerische Schaffen hat mir während meiner Kindheit meinen seelischen und im Erwachsenenalter den finanziellen Unterhalt gesichert. Ich arbeite am liebsten im Team, weil sich dadurch immer unerwartete Perspektiven und Ideen ergeben, auf die man alleine gar nicht gekommen wäre. Ich lerne sehr viel von meinen Kollegen und Kolleginnen, werde inspiriert von ihren Talenten und Persönlichkeiten. Und es macht einfach wahnsinnig viel Spaß, gemeinsam kreativ an einer Sache zu arbeiten und zu sehen, wie sich ETWAS aus NICHTS entwickelt.
Durch meine tänzerische Tätigkeit kam ich in Kontakt mit vielen weiteren Künstlern der Grazer Off-Szene und es ergaben sich viele schöne Projekte zum Beispiel mit der Choreografin Klaudia Reichenbacher, mit dem Theater ASOU, Werkraumtheater und dem Mezzanintheater und dem Theater ARBOS.

ARBOS :” Das Ziel der Verschollenen

Mit dem Engagement bei der Sommertheaterproduktion „Der Widerspenstigen Zähmung“ von William Shakespeare ermöglichte mir das Theater ASOU einen Einstieg ins Bühnen-Schauspiel, den ich mit vierunszwanzig Jahren gänzlich ohne Schauspielausbildung irgendwie hinbekam. Für diese Gelegenheit bin ich bis heute sehr dankbar und habe damals künstlerische und persönliche Freundschaften knüpfen können, die bis heute bestehen.
Mit Elisabeth Cartellieri, die ebenfalls ihre tänzerische Ausbildung bei Mona May absolvierte und auch die Company mitgründete, verbindet mich ebenfalls bis heute eine tiefe Freundschaft. Es war ein große Freude mehrere Stücke mit ihr gemeinsam zu kreieren. Wir haben 2009 beim best-off-styria Theaterfestival den Publikumspreis für unser Stück „Tom waits until it´s over“ bekommen.
Dann war ich in Graz von 2006 bis 2010 Mitglied der Comedy-Acapella Gruppe „quempas“. 2006 gewannen wir den 1. Preis des Wise Quys A-Capella After Glow Challenge mit der Comedy Acapella Gruppe “quempas”. Das war eine wunderschöne intensive Zeit – künstlerisch sowie zwischenmenschlich.
Auch mit der Grazer Theatermacherin Christina Scheutz verbindet mich eine enge künstlerische und persönliche Freundschaft und ich durfte in mehreren ihrer Stücke mitwirken. Sie war Rote-Nasen-Clown-Kollegin von mir in Graz. Ich arbeite ja seit 2006 bei den Roten Nasen – zuerst in Graz und seit 2012 auch in Berlin.
Mit ihr hatte ich heuer im April das Vergnügen in ihrem Kindertheaterstück „Whale Tales“ mitzuwirken. Ich schrieb und spielte die Musik dazu und wirkte auch als Puppenspielerin und Darstellerin mit. Für nächstes Jahr sind wieder Aufführungen mit dem Stück im Kindermuseum Frida&Fred in Graz geplant. Und mit Leopold Altenburg werde ich heuer im Juli auch in einer Sommertheaterproduktion in Graz zu sehen sein „Don Giovanni“ von Mozart, in der Rolle der Zerlina, inszeniert von Leopold Altenburg. Die Aufführungen finden am Rosenberg Ende Juli an drei Terminen statt.

Des Weiteren verbindet mich mit dem Klangkünstler Florian Hollerweger eine langjährige künstlerische Freundschaft. Noch in Graz wirkte ich in einigen seiner Projekte mit. Derzeit lebt und arbeitet er in Chicago, USA, und wir arbeiten gemeinsam an dem Projekt „Stimmen“, das die Ausdrucksmöglichkeiten der menschlichen Stimme und elektronischer Musik auslotet. Unsere fruchtbare Zusammenarbeit basiert auf übereinstimmenden Ansichten über Kunst, kreative Prozesse, Poesie, Musik. Wir sind einfach auf einer Wellenlänge und inspirieren uns gegenseitig. Ein Geschenk. Er ist genauso wie ich an vielem interessiert, offen und neugierig. Wir arbeiten beide sehr intuitiv und haben beide den gleichen Humor.

Seit ich in Berlin lebe, spiele ich in einem Duo mit dem Kontra-Bassisten Robin Draganic: DUO CONFLUENCE. Obwohl wir uns schon viel länger von Jam Sessions kennen, hat sich unser Duo erst 2015 endgültig formiert, als ich nach meiner Nepal-Reise und den dortigen Erdbeben Benefiz-Konzerte organisierte und Robin der Erste war, mit dem ich zusammenarbeitete, um Geld für dieses wunderschöne Land zu sammeln. Unser Repertoire besteht aus Jazz-Standards und eigenen Kompositionen. Ein Stück von mir heißt zum Beispiel „In The Palm Of My Hand“. Ich schreibe – langsam zwar, aber doch – eigene Stücke und veranstalte regelmäßig Hauskonzerte bei mir Zuhause oder bei Freunden in Berlin. Daneben gibt es noch das „SOLEMIOTRIO“ mit Polina Borissova und Leopold Altenburg, beides Rote-Nasen-Kollegen. Das ist ein musikalisches Clown-Trio und entstand vor zwei Jahren anlässlich des jährlich stattfindenden Internationalen Summercamps der Roten Nasen.

Ja, so kenne ich sie, die Vielfalt in Person und unermüdlich im Einsatz, also frage ich sie: „Wie bringst du das alles unter einen Hut?“ Sie schaut mich an und sagt in ihrer witzigen Art: „Wie ich das alles unter einen Hut bringe? Na, gar nicht. Ich jongliere mit vielen Hüten und habe mich mittlerweile an das Chaos in meinem Leben gewöhnt. Ich bin früher bei dem Versuch mich selbst zu definieren und in eine Schublade zu stecken immer wieder gescheitert. Jetzt vertraue ich einfach auf das, was gerade ist und auf eine innere Führung.“

Kunst ist Leben

„Was bedeutet dir dein Kunstschaffen und wie bereitest du dich auf eine künstlerische Arbeit vor?“ „Nichts bedeutet es mir und ich bereite mich gar nicht vor! Ich BIN halt einfach so. Es gibt keine Bedeutung. Ich mache das alles nicht aus einer Bedeutung heraus, sondern weil ich nicht anders kann. Punkt. Es macht mich glücklich, Dinge zu gestalten, zu kreieren, zu imaginieren, zu improvisieren, zu spielen, zu singen, zu springen, ob alleine oder gemeinsam im Team mit anderen. Und das zu teilen. Das ist das Natürlichste der Welt für mich. Und wie ich mich vorbereite, da könnte man mich genauso gut fragen, wie ich mich denn aufs „Menschsein“ vorbereite. Als Künstlerin BIN ich permanent am Arbeiten, das ganze Leben dient als Inspirationsquelle. Gib mir einen Popel und ich mache Gold daraus! Gib mir eine Pups und ich lasse Engelschöre erklingen!

Ich bereite mich nicht speziell auf die künstlerische Arbeit vor, weil ich immer künstlerisch, also kreativ tätig bin, ob ich nun kacke oder ein Lied singe, tanze oder im Flugzeug sitze und mir die Wolken anschaue. Künstlerische Arbeit ist für mich nicht nur die sichtbare Tätigkeit auf der Bühne oder das Komponieren in meinem stillen Kämmerlein oder Proben im Ensemble. Das ist nur die Spitze eines riesigen Eisberges! Viel wichtiger ist doch der unsichtbare, viel größere Teil: der Alltag, aufgeschnappte Gesprächsfetzen, Gesichter in der U-Bahn beobachten, kleine Muster und Strukturen in Steinen finden – einfach ALLES und IMMER! Jeder Moment zählt! Jeder! Das ist einfach DAS SO SEIN ALS KÜNSTLERIN. Eines meiner Lieblingszitate ist von Shakespeare: „The readiness is all. – Bereitschaft ist alles.“ Es schafft ein Bewusstsein darüber, dass ich mich als Künstlerin und Mensch ständig in einem Prozess des Werdens befinde. “  

„Was ist dein Motiv in deinem Kunstschaffen, was treibt dich an?“ „Schönheit. Der Wunsch Schönheit zu erschaffen liegt allem zugrunde, was ich tue, ob als Sängerin, mit dem Theater, durch den Tanz, egal was. Ich möchte Momente kreieren, die Menschen die Erfahrung von Schönheit ermöglichen. Schönheit berührt jeden tief im Inneren. Schönheit inspiriert. Schönheit heilt. Schönheit hat so viele Gesichter. Das Empfinden beziehungsweise der Sinn für Schönheit ist uns von Natur aus gegeben. Das Medium, das Genre sind mir vollkommen egal. Hauptsache Schönheit.“

Ich höre ihr begeistert zu und denke mir, was für schöne Antworten ich doch erhalte, wenn ich scheinbar unsinnige Fragen stelle. Und während ich noch in meinem Glück schwelge über meine Cleverness, dass ich ihr so eine Frage stellte, spricht sie schon weiter: „Die meisten und besten Ideen kommen mir beim Spazierengehen oder im Zug. Ich habe auch schon Kompositionen und Arrangements im Schlaf erträumt und bin mit der Musik im Ohr aufgewacht, ans Klavier gerannt und hab´s aufgeschrieben. Darauf kann sich doch niemand vorbereiten! Ich würde das eher als eine permanente Bereitschaft beschreiben. Kontinuierlich empfangsbereit sein, neugierig, aufmerksam und flexibel. Empfindsam wie eine hauchzarte Membran, die sich mühelos zum Schwingen anregen lässt. Auch: die totale Bereitschaft sich immer und immer wieder nach oben auszurichten und sich mit der inneren Quelle zu verbinden. Denn von oben kommt alles Gute. Und alles entsteht aus dem Inneren heraus.

„Was für Ziele hast du, was möchtest du noch alles umsetzen und erreichen?“ „Ich möchte wieder mehr Kindertheater machen und weiter eigene Musik schreiben. Außerdem habe ich schon des Längeren die Idee für ein crowd-basiertes Tanz-Projekt, wo ich zur Lieblingsmusik anderer Menschen tanze. Aber das ist noch nicht spruchreif. Ich hoffe, ich kann das bald realisieren. Dann will ich in Spanien noch mehr Flamenco Unterricht nehmen und so gut darin werden, dass ich Bulerías tanzen kann. Und ich habe letztes Jahr begonnen zu nähen. Ich mache aus alten Herrenhemden schicke Frauenkleider oder hippe Hosen. Das nennt sich wohl Up-cycling-fashion. Ich würde gern eine kleine eigene Kollektion rausbringen. Kurzfilme drehen und an meiner Kunstfigur „Agnes“ weiterarbeiten. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass ich noch effizienter meine vielen Ideen umsetzen und realisieren kann und mich mehr traue mir dabei helfen zu lassen – ich tendiere schnell dazu, alles selber machen zu wollen.“

Infos:

www.christine-scherzer.com

http://spuktheaterberlin.de/spuk-unterm-riesenrad/

Videos:

https://vimeo.com/user11237588

https://www.youtube.com/watch?v=C4BwObEpwkQ

https://vimeo.com/153548427

https://vimeo.com/232809452

Author: Mona May

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert