3400 Semmeln: Ungefilterte Szenen aus dem Leben Heimatloser

Im Spätherbst 2015 spielten sich in Graz dramatische Szenen ab. Kurz davor hatte die weltweite Flüchtlingskrise, ausgelöst durch den syrischen Bürgerkrieg und dem Vormarsch des IS, auch das kleine Österreich erreicht. Tausende Menschen ohne Heimat waren an den Grenzen angekommen, das System war überfordert. So blieben zahlreiche Menschen im Ungewissen, wie es weitergeht. Die Menschen erhielten keine Bescheide über ihren Asylstatus, oft hatten sie nicht mal die Gelegenheit bei den Behörden vorzusprechen.

Vier Jahre

Aus der Verzweiflung heraus bildete sich in Graz ein Protestcamp vor der Asylbehörde, vier Tage lang wurden Pressekonferenzen abgehalten. Zu diesem Szenario stieß Heinz Trenczak hinzu, nachdem ein Freund ihm davon erzählt hatte. Der freischaffende Filmemacher machte sich auf den Weg zu dem Camp, nahm seine Kamera mit und begann zu drehen. So beginnt die Entstehungsgeschichte des Filmes 3400 Semmeln. „Dieser Film ist ein Langzeitprojekt, welches im September 2015 begann,“ erzählt Heinz Trenczak im Gespräch. „Am Anfang waren wir zu zweit beziehungsweise zu dritt, gegen Ende hin waren zehn Menschen involviert. Wir drehten in Österreich, Griechenland , Serbien, Slowenien, Deutschland und Italien. Dabei haben wir Flüchtlinge und Flüchtlingshelfer auf ihrem Weg begleitet. Insgesamt ist so eine Materialhalde von 400 Stunden zusammengekommen.“

Ungefilterte Realität

Aus diesem Material entstanden bereits zwei Filme, Silos Triest und Greek Diaries. Der erstere entstand als im italienischen Triest Flüchtlinge gestrandet und in Silos untergebracht wurden. „Bei dem Protestcamp in Graz traf ich ein Paar, welches es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Flüchtlingen zu helfen. Sie packten gerade ein Wohnmobil voll mit Hilfsgütern und erzählten mir von den Zuständen in Triest. Dieses Paar hat mich dann aufgefordert doch mitzufahren und dort zu filmen. So habe ich die ersten Kontakte geschlossen.“

Danach ergaben sich für Heinz Trenczak weitere Kontakte, woraus wiederum nähere Bekanntschaften entstanden, die wiederum zu Freundschaften wurden. Der Film 3400 Semmeln begleitet einige diese Menschen über einen langen Lebenszeitraum, bietet einen authentischen, ungefilterten Einblick in die Lebensrealität der Flüchtlinge und deren Helfern. „Alles ist nur dokumentarisch, nichts davon ist inszeniert,“ beschreibt mir Trenczak sein Projekt genauer. „Ich möchte das alles auch so unkommentiert wie möglich lassen. So werden die Zuseher, so wie ich, Zeugen von den Schicksalen dieser Menschen, von ihren Erfolgen und Misserfolgen. Zum Beispiel gibt es da einen Syrer, der vielen anderen geholfen hat, weil ihm geholfen wurde. Einem andern ist es gelungen seine Familie nachzuholen, um mit ihnen dann weiter nach Kanada zu ziehen.“

Erschütternde Atmosphäre

Einen erschütternden Einblick in die ganze Situation wurde Heinz Trenczak gleich zu Beginn zu Teil: „Das war in der Schwarzl Halle in Graz,“ erinnert er sich. Eine große Veranstaltungshalle, die vom Pächter für Flüchtlinge freigegeben wurde. So 800 bis 1000 Betten kamen dahinein. Als ich dort ankam, war ich erst mal völlig paralysiert, konnte nicht einmal drehen. Diese Atmosphäre dort, so voller Trauer und das völlige Fehlen von Privatsphäre, das hat mich sehr erschüttert. Von dort hab ich auch den Titel des Filmes, denn der Pächter hat als erste Aktion erstmal 3400 Semmeln für die Flüchtlinge bestellt.“

Hilfe zum Abschluss

Um 3400 Semmeln fertigzustellen, wird aber noch etwas finanzielle Unterstützung benötigt. Zu diesem Zweck wurde ein Crowdfunding eingerichtet. Ein dreiviertel der Summe haben wir bereits zusammen,“ sagt Trenczak. „ Wir konnten bisher die Kameraleute und Teile des Schnitts bezahlen. Bis zum 28.06. läuft das Crowdfunding noch. Ab 15 € Spende gibt es einige Goodoies und eine Einladung zur Vorpremiere des Filmes, der bis Ende September fertiggestellt werden soll.“

Danach soll der Film bei Festivals eingereicht werden und einen Verleih finden. Bisher gibt es nur einen Letter of Intent vom Filmladen bezüglich des Vertriebes, aber noch nichts konkretes.

(Wer spenden will, kann das hier tun: https://www.gemeinwohlprojekte.at/projekte-unterstuetzen/details/projekt/151/

Der Mann hinter der Kamera

Heinz Trenczak wurde 1944 in Graz geboren. Von Kindesbeinen an begleitete ihn die Musik. Seine Mutter unterrichtete Blockflöte und Klavier, sein Vater spielte Klavier. Er selbst lernte mit fünf Jahren Blockflöte zu spielen, danach Klavier. Mit 13, 14 Jahren stieg er auf das Cello um, ein Instrument, dass es ihm mehr angetan hatte. Trenczak studierte zwei Jahre lang Cello in Salzburg, dann begann er Musikpädagogik mit Schwerpunkt auf das Orffsche Schulwerk zu studieren. „Mir war wichtig, dass ich einen Abschluss habe,“ sagt er. „Vorher war ich ein sehr schlechter Schüler, erst mit 23 ist mir der Knopf aufgegangen. Das lag wahrscheinlich an den jungen Lehrern und dem internationalen Umfeld. Da konnten wir experimentieren, uns ausprobieren. Plötzlich war Lernen kein Krampf mehr. In dieser Zeit begann ich mich auch für Film zu interessieren.“

Von der Musik zum Film

1969 ging Heinz Trenczak nach Köln und nahm dort an den Kölner Kursen für neue Musik teil. Dort hatten die teilnehmenden Studierenden die Möglichkeit, neueste Technologien auszuprobieren und zu nutzen. Dort entstand Trenczaks erster Film Vier Minuten. Die Redaktion des WDR Köln betreute den Kurs und stellte das Equipment zur Verfügung. Eineinhalb Jahre später begann Heinz Trenczak als Quereinsteiger beim WDR als Musikredakteur zu arbeiten.

Über zehn Jahre lang blieb er beim WDR zuerst als freier Mitarbeiter, dann fest angestellt. 1984 gestaltete er ein Programm beim Steirischen Herbst, 1985 gründete er die Filmzeitschrift Blimp, wo er zehn Jahre lang redaktionell mitarbeitete. Seine alten Filme können noch in der Mediathek der Stadtbibliothek Graz gefunden werden.

 

Infos: 

https://www.youtube.com/channel/UCNEpoF7TSrcmbemL_UZSANg

https://www.facebook.com/3400semmeln/

https://www.gemeinwohlprojekte.at/projekte-unterstuetzen/details/projekt/151/

Fotos: Vis-à-vis Film/3400 Semmeln

Author: Christian Handler

2 thoughts on “3400 Semmeln: Ungefilterte Szenen aus dem Leben Heimatloser

    1. Moin Herr Trenczak, ich auf Sie gestoßen, als ich nach dem Sohn des “Onkel Schratt” genannten Freundes der Familie Sanders in Dortmund suchte.
      Als ich jetzt die Fotos von Ihnen sah, war klar, dass Sie der Sohn sein müssen, denn Sie sind ihrem Vater sehr ähnlich. Er trug allerdings einen Schnurrbart, hatte eine blank polierte Pläte, wie wir damals sagten und wohnte im Wittekweg 12.
      Gerne würde ich mal mit Ihnen reden, nur so, der Erinnerung halber, und weil ich Ihre Projekte (siehe 34oo Semmeln) sehr gut finde.
      Herzlicher Gruß,
      Wübke Sanders, nun schon seit langem in Heidelberg

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