Anna de Lirium: Clownin im Grossformat

ein Portrait von Mona May

Juchu! Heute sind die Scheinwerfer und alle Augen auf die Queen of Comedy, die soeben den roten Teppich betritt, gerichtet, während ich die Ehre habe, sie euch im Rahmen meiner Aktion Goethe ist tot – wir leben vorstellen zu dürfen.
Bei Anna de Lirium handelt es sich tatsächlich um ein gekröntes Haupt, wurde sie doch 2015 anlässlich des berühmten Schweizer Kleinkunstfestivals DIE KRÖNUNG, das alljährlich im März stattfindet, von einem begeisterten Publikum zur Königin gewählt und ihr die goldene Krone auf den ehrwürdigen Kopf gesetzt.

Powerclown

Doch sie ist nicht nur eine Queen, sie ist auch eine Komik-Kanone, ein Powerbündel, das auch die leisen Zwischentöne beherrscht, ein Hochtalent unter den Clowns, ein musikalisches Wunderkind, spielt sie doch gleich mehrere Instrumente, darunter die Singende Säge, auf der sie, wie keine Zweite, brilliert. Sie ist hinreißend und bezaubernd, rockt und steppt sich in die Herzen ihres Publikums und ist im wahrsten Sinne des Wortes einfach sensationell und großartig. Es gibt sie eben nur einmal: Anna de Lirium.

Weltformat

Weltgewandt wie sie ist, spielt sie auf allen Bühnen dieser Welt, die sich um sie reißen. Kein Wunder, fabriziert Anna de Lirium doch gekonnt aus den ihr ganz eigenen Ingredienzen ein musikalisch-clowneskes Körper-Komik-Kunstspektakel der Sonderklasse. Die Liste der zahlreichen Festivals an denen sie mitwirkte ist lang, überall auf der ganzen Welt wurde ihr bereits der rote Teppich ausgerollt. Nur in Österreich, in ihrer Heimat, vermisst die Queen das große Publikum, das ihrem Können mit Lachsalven Huldigung zuteil werden lässt. Obwohl sie, wie sie sagt, über ihre kleine eingeschworene Fangemeinde sehr glücklich ist.

Mit Herz und roter Nase

Volle Häuser wären auch hier zu Lande angebracht, schon alleine wegen ihrer Grandiosität in Sachen Komik und aufgrund ihres Engagements für ihre Clownkollegen. So war sie Mitbegründerin des Theaters Olé, dem ersten Wiener Clowntheater, und ist höchst engagiertes Mitglied im Team der Rote Nasen Clowndoctors, dem sie seit 1995 angehört. Über ihre Arbeit als Clowndoctor sagt sie: „Für mich ist das die perfekte Ergänzung zu meinen Bühnenauftritten – in meinen Shows gibt es eine Inszenierung, der ich folge. Ich kenne den Ablauf, auch wenn es da immer einen gewissen Spielraum für Improvisationen gibt. In der Krankenhausarbeit entsteht mit jedem Menschen, in jedem Moment, etwas Neues, etwas, das wir nicht kalkulieren können. Diese Verbindung, die ich mit den Menschen, die im Krankenhaus sind, eingehe, wirkt sich auch auf meine Bühnenarbeit aus. Sie bringt ganz einfach mehr Herz hinein.“

Aus gutem Haus

Was gibt es Biografisches über ihre königliche Hoheit Anna de Lirium zu berichten? Nun ja, dass sie als Tanja Simma das Licht der Welt in Wien erblickte und das erste wohlgeborene Kind ihrer Eltern war, die nicht ahnten, dass in den Adern ihrer kleinen Prinzessin schon blaues Blut floss. Dass sie in einem gutbürgerlichen Haushalt mit zwei Brüdern aufwuchs, wobei sie mit ihrem mittleren Bruder Andreas Simma, der Schauspieler, Clown, Regisseur und Theaterpädagoge ist, sehr gerne und oft zusammenarbeitet. Mehr gibt es dazu offenbar von ihrer Seite nicht zu sagen, daher frage ich sie: „Wie kam es, dass du dich der Kunst und vor allem der Clownerie zuwandtest? „Ich war und bin mein ganzes Leben lang mit Musik verbunden – ich hatte das Glück, schon als kleines Kind die zweite und dritte Stimme singen zu können. Ohne Vorbildung oder Übung – ich konnte es einfach. Es ist, als ob das bei mir “eingebaut” wäre. Und meine Liebe zur Clownerie habe ich ungefähr mit achtzehn entdeckt, als ich Straßenclowns sah. Ich weiß es gar nicht mehr so genau, was ich da sah. Jedenfalls war es etwas ohne Sprache, und das hat mich sehr “angesprochen” (haha …). Kurz vor der Matura sagte eine sehr gute Freundin zu mir: „Ich geh jetzt nach Wien und werde Clown!” Und ich sagte damals aus dem Bauch heraus zu ihr: „Ich auch!” Es war wie ein Instinkt, der mich leitete. Mir war das nicht bewusst, aber heute weiß ich, dass in diesem Moment die wirkliche Entscheidung gefallen ist, Clownin zu werden!“

Alleine und zu zweit

Zu ihren Vorbildern gehören Größen wie Jango Edwards, Gardi Hutter und die großen Filmclowns Charles Chaplin, Buster Keaton und Lucille Ball. Unter ihren Lehrern finden sich Größen wie Henri Brugat, Wolfgang Gufler, der Begründer der Ecole de Mime et Clown, Ctibor Turba, Giora Seeliger, Ami Hattab, und Virginia Imaz. Zurzeit ist sie mit ihrer Clownpartnerin Colette Gomette in THE ONE & the one und mit ihrem Solo Anna de Lirium in THE SUBSTITUTE unterwegs.

„So viel ich weiß, ist das deine erste Soloperformacne, wie kam es dazu?“ bitte ich Anna de Lirium, mich aufzuklären. „Ja, das stimmt, ich arbeitete lange Zeit im Duo, mit wirklich tollen Kollegen und drückte mich lange Zeit davor als Solistin zu arbeiten, bis zu meinem Solo Anna de Lirium in THE SUBSTITUTE. Es entstand nach einem Beinahe-Burnout unter der Regie des international gefeierten Starclowns Jango Edwards. Er war es, der mich damals sehr ermutigt und von der Wichtigkeit, eine Soloshow zu entwickeln, überzeugt hat. Durch dieses Solo fand ich zu meiner ganz eigenen Kraft und konnte erst dadurch einer so grandiosen und kongenialen Clownpartnerin begegnen wie Hélène Gustin alias Colette Gomette aus Frankreich, die ich 2014 bei einem Festival in Brasilien kennenlernte. Eines der größten Geschenke, das mir das Leben je gemacht hat. Wir sind so verschieden und doch ergänzen wir uns so perfekt, dass es manchmal in einem guten Sinn schon fast unheimlich ist. Das Schöne ist, wir brauchen uns nicht, aber wir wollen uns – das ist einfach das Beste! Wir stehen beide auf eigenen Beinen und gemeinsam entsteht etwas Gewaltiges – etwas noch Größeres, als wir beide zusammen es sind – es ist jedes Mal überwältigend mit ihr zu spielen! Danke, Leben!“

In europäische Gefilde

Mit Colette Gomette möchte Anna de Lirium ihre Kunst nun auf das nächste Level bringen. Mit ihrem Programm THE ONE and the One wollen sie nun endlich auch europäischen Boden erobern. Beginnen wollen Sie damit in Frankreich: “Unsere Show THE ONE & the One wurde bereits in 14 Ländern gespielt (die meisten davon in Lateinamerika) und jetzt wollen wir endlich auch die europäische Szene erobern! Dafür möchten wir unser Stück beim “Festival Off d’Avignon” 2020 präsentieren. Es ist der wichtigste “Showcase” für den Einstieg in die französische Kulturszene und auch in Folge für den europäischen Markt.” Um dieses Ziel zu erreichen, wurde ein Crowdfunding ins Leben gerufen: “Helft uns, Europa zu erobern, indem ihr uns unterstützt! Jeder auch noch so kleine Beitrag ist herzlich willkommen, denn am besten funktioniert’s, wenn viele mitmachen! Ihr fördert unser Projekt auch, wenn ihr einfach am 18.1.2020 um 19:30 zu meiner Show in der TheaterArche in Wien kommt – ein Teil der Einnahmen wird für Avignon reserviert.” Wer Anna de Lirium unterstützen will, kann das hier tun: https://www.gofundme.com

Es lebe das Unperfekte

Abschließend frage ich Anna de Lirium noch, was ihr bei der Clownerie besonders wichtig sei? „Das Clown sein ist für mich nicht nur ein Beruf, sondern wirklich eine Berufung, die nicht nur mich, sondern auch andere sehr erfüllen und tief berühren kann. Mit der Zeit wurde mir immer wichtiger, die Herzen der Menschen zu erreichen und im besten Fall mit der Kombination herzliches Lachen und tiefste Berührung einen Moment von Glücklichkeit zu bewirken. Außerdem vermitteln wir Clowns noch etwas anderes: wir spielen liebevoll mit unseren Unzulänglichkeiten und umarmen damit das Menschsein an sich und zwar mit allem, was dazu gehört. So viele Menschen hetzen Perfektion hinterher, Perfektion, die es gar nicht geben kann – wir Clowns umarmen das Unperfekte und erinnern die Menschen daran, dass es schön ist, unperfekt zu sein. Vor allem, wenn man über sich selbst lachen kann, geht alles leichter. Im Gegensatz zu vielen anderen Komik-Genres machen wir Clowns uns eben nicht über andere lustig, sondern über uns selbst.“ Ein schönes Schlusswort, finde ich. Danke. Und ich werde auch wieder einmal ein bisschen öfter über mich lachen.

Anna de Lirium & Colette Gomette: “THE ONE & the one” from Anna de Lirium on Vimeo.


Infos: www.anna-de-lirium.com
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https://www.facebook.com/Tandem.AnnaColette

foto 1: Robert Herbst
foto 2: Christian Simma
foto 3: René Figueroa
foto 4: Tandem Anna & Colette
foto 5: René Figueroa
foto 6: Klaus Morgenstern

Author: Mona May

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