Uschi Nocchieri: Feuer und Flamme für die Kunst

ein Portrait von Mona May

Wer kennt ihn nicht, den Film La Strada von Federico Fellini, dem Altmeister des italienischen Neorealismus? Und wer liebt sie nicht, seine weibliche Hauptfigur Gelsomina, die von Giulietta Masina, der Ehefrau des Maestros, höchstpersönlich gespielt wurde und ihr und ihm den Durchbruch zum großen internationalen Ruhm brachte? Nicht nur das ausdrucksstarke Gesicht und die großen kindlichen staunenden Augen, sondern das Leben der Künstlerin, die ich euch heute im Rahmen meiner Aktion Goethe ist tot – wir leben vorstellen darf, erinnert mich in Vielem an diese unglaublich liebenswürdige Figur, die zugleich so naiv und doch so außergewöhnlich stark ist. Vielleicht ist sie gerade wegen ihrer Naivität, die ja nichts anderes als eine unschuldige Unbefangenheit bedeutet, so einzigartig und liebenswert. Aber das sind reine Spekulationen und bevor ich mich weiter in solchen ergehe, wende ich mich lieber dem realen Leben unserer heutigen Künstlerin zu.

Empathie und Vielfalt

Nicht, dass sich Uschi Nocchieri zum Schluss noch in der Rolle der naiven Charakterdarstellerin festgelegt fühlt. Das will ich nicht und das würde ihr auch in keinster Weise gerecht werden, denn die mit vielfältigen Talenten gesegnete Künstlerin zeichnet sich neben ihrer kabarettistischen Ader und ihrem komödiantischen und clowneskes Talent gerade durch ihren dramaturgischen Scharfsinn aus. 

Bei ihr wird die Gabe mitfühlend zu sein ohne großes Tamtam ganz natürlich im Alltag praktiziert und gelebt. Rührend kümmert sie sich auch noch um Nino, ihren niedlichen Schnauzer, der mittlerweile ein kundiger Theaterhund ist und selbst Regie führen könnte. Sehr beeindruckend ist, wie er ihr aufs Wort oder manchmal sogar nur auf eine Geste oder einen Blick hin, folgt – so als würden sie durch ein unsichtbares Band miteinander verbunden sein.

Sprühend vor Energie und ausgerüstet mit einem feinen und subtilen Humor, nimmt sie sich kein Blatt vor den Mund und trifft oft direkt ins Schwarze der menschlichen Unebenheiten und Ungereimtheiten. Diese nimmt sie generell gerne unter die Lupe oder aufs Korn. Dabei ist Uschi Nocchieri aufgrund ihrer reichhaltigen Lebenserfahrung eben alles andere als naiv, denn gekonnt und mit viel Empathie führt sie „ihre“ Schauspieler_innen oder auch sich selbst zu Höchst- und Glanzleistungen.

 

 

Bescheidene Anfänge

Die in Wien geborene Künstlerin steht auch selbst leidenschaftlich gerne auf den Brettern, die die Welt bedeuten und so wundert es nicht, dass sie auch dann genauso meisterlich und geschickt mit allen gängigen Klischees in den verschiedensten Schattierungen hantiert, so als würde sie das Leben selbst und alles, was es zu bieten hat, parodieren oder auseinander nehmen, um neue Perspektiven auf es zu werfen. Und das alles geschieht mit einer Leichtigkeit und einer Tiefe zugleich, die einen, abgesehen davon, dass man sich berührt fühlt, abwechselnd schmunzeln und schaudern lassen.

Befragt, wie sie den aufgewachsen sei, erzählt sie: „Ich bin mit meinem um zwei Jahre jüngeren Bruder, bei meinen Eltern im 9. Wiener Gemeinde Bezirk in einer kleinen Zimmer-Küche-Kabinett Wohnung aufgewachsen. Ohne Badezimmer mit dem WC auf dem Gang. Trotzdem hat uns nichts gefehlt – damals war Wohnen auf kleinem Raum eine Selbstverständlichkeit. Meine Eltern waren beide Drogisten, meine Mutter hat ihren Beruf für uns Kinder aufgegeben. Allerdings hat sie ab meinem zehnten Lebensjahr nachts im Gastgewerbe dazuverdient, damit sie tagsüber für Haushalt und Kinder da sein konnte. Meine Mutter war sehr streng, aber immer in Liebe. Mein Vater mischte sich wenig ein, ist bis heute eher der ruhige „Mitbewohner“. Solange wir klein waren, hat er sich viel mit uns beschäftigt und wir haben Ausflüge gemacht, aber leider ab dem Schulantrittsalter, war das dann vorbei und meine Mutter musste sich um alles kümmern. Trotzdem ist die Liebe meiner Eltern bis heute für uns fühlbar.“

Der Traum beginnt

Waren deine Eltern irgendwie künstlerisch interessiert, hast du deine Talente von ihnen „geerbt“ hast?“ will ich von Uschi Nocchieri wissen.

Nein, aber mein Großvater väterlicherseits, den ich nie kennen lernen konnte, weil er schon lange vor meiner Geburt verstarb, war „Wandermusiker“. Er begleitete mit seiner Ziehharmonika Theatergruppen auf ihren „Tourneen“ und wenn ein Schauspieler ausgefallen ist, dann ist er eingesprungen. Seine Musikalität hat er wohl meinem Bruder und meinem Sohn Fabio vererbt. Aber die schauspielerische Ader meines Großvaters fließt offenbar in mir weiter.“

Wie kam es dazu, dass du dein Talent entdeckt hast?“

Als kleines Mädchen, war ich mit etwa vier Jahren, an einem schönen Sommertag mit meinen Eltern im Wiener Donaupark spazieren. Ich hatte ein hübsches weißes Kleidchen und weiße Schuhe an, In einem Restaurant wurde auf der Terrasse, die voll mit Menschen war, eine Verschnaufpause eingelegt. In der Nähe spielte eine Musikkapelle und ich sprang vom Sessel und begann mich zur Musik zu bewegen. Es war herrlich! Ich tanzte und tanzte und tanzte ohne Scheu, experimentierte mit Grimassen und komischen Bewegungen, um die Reaktionen der Zuseher noch zu verstärken, denn ich war von den bewundernden Blicken, den Lachern und dem Applaus der anderen Restaurantgäste äußerst motiviert. Aus dem Gefühl, dass ich Menschen mit meinem Tanz ganz offensichtlich Freude bereiten konnte und aus deren Zustimmung und Bewunderung entstand ein Traum, der mich nicht mehr losließ und mich mein Leben lang begleitete.”

“Wie ging es dann weiter?”

“Ich nahm früh jede Gelegenheit in und außerhalb der Schule wahr, um auf die Bühne zu kommen, Sketche bei Schulskikursen, Theaterspiel im Unterricht und als Mitglied einer Amateurtheatergruppe, genannt „Die Josefstädter“, mit eigenem Theatersaal und Platz für zweihundert Zuseher. Ich war einfach glücklich, wenn ich auf der Bühne stand. Und immer wieder wurde ich aufgefordert, unbedingt Schauspielerin als Beruf zu wählen, doch nach dem Abschluss des Gymnasiums, war ich zu feig dazu. Die Gegenargumente, eine künstlerische Laufbahn zu wählen, haben mich davon abgehalten, eine entsprechende Ausbildung zu machen und meinen Traum zu erfüllen. Es waren Argumente wie: unsicherer Beruf, unregelmäßige Arbeitszeiten, hohe Arbeitslosigkeit unter den Künstlern, geringe Aussicht auf wirklichen Erfolg und oft gezwungen mit kleinen Nebenjobs als Kellnerin oder Putzfrau Geld zu verdienen, um die Lebenskosten decken zu können. Dennoch, der Traum hat mich weiter begleitet, wenn auch lange ohne – in meinen Augen – realer Hoffnung, ihn jemals erfüllen zu können. Und so ging ich andere Wege, die ich auch bis heute nicht bereut habe. Die mir nicht nur meine Kinder, sondern auch viele andere liebenswerte Menschen und sehr wertvolle Erfahrung in zahlreichen anderen Berufen gebracht haben. Diese kommen mir nun in der künstlerischen Arbeit zugute.

Stark im Team

Mir gefällt ihr respektvoller Umgang mit Menschen, den sie mit folgenden Worten erläutert: „Beziehungen – welcher Art auch immer – sind überlebenswichtig. Wir sind nur gemeinsam wirklich stark, können viel voneinander lernen, einander helfen, einander auffangen und miteinander am Erreichen eines Zieles arbeiten. Ich bin nichts, ohne die anderen.“ So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass sie gerne in Ensembles spielt: 

„Das „Hauser-Nocchieri-Woerz“ Ensemble ist aus gemeinsamen Auftritten zu verschiedenen Anlässen entstanden: Thomas Hauser – neben seiner Bühnentätigkeit auch Geschäftsführer des Niederösterreichischen Zivilschutzverbandes – Andy Woerz, Musiker, Kabarettist und Sprecher, der ja eine oft gehörte Stimme im Radio ist, und ich. Ein gemeinsamer Freund hat uns auf die Idee gebracht, als Ensemble Programme anzubieten. „Der Letzte macht das Licht aus“, war unser erstes Programm, gefolgt von den „Doktorspielen“. Der Letzte macht das Licht aus” spielen wir das nächste Mal mit unserem Ersatzmusiker Tom Schwarzmann, er ist Radiomoderator bei Radio NÖ, da Andy in den nächsten Monaten mit seinem neuen Soloprogramm beschäftigt sein wird. Unser Debüt mit Tom Schwarzmann geben wir am 10. August in Pöggstall. 

Das Ensemble „The Read Head Chili Peppers“ habe ich gemeinsam mit einer Kollegin und einem Kollegen der Waidhofener Volksbühne gegründet. Unser Sketch-Programm mit dem Titel „Scharf aber herzlich“, spielen wir mit Freuden immer wieder. Worauf ich mich heuer auch sehr freue ist, ein Auftritt in einem Stück von Peter Turrini mit einem Kollegen in Retz im Dezember, das ist eine neue Herausforderung.“

Auch für die Volksbühne Waidhofen an der Ybbs ist sie als Regisseurin tätig und konnte mit ihrem Team gerade mit „My Fair Lady“ eine erfolgreiche Premiere feiern. Das Stück ist übrigens noch bis Ende Juli zu sehen. Sie ist einfach – und das ist im positivsten Sinn gemeint – ein Wahnsinn, denn sie ist auch noch Mitglied des Niederösterreichischen Zivilschutzverbandes und arbeitet dort aktiv, auf ehrenamtlicher Basis, mit.

Zufall oder Schicksal?

“Wie bist du denn dazu gekommen, einen komödiantischen Weg einzuschlagen?” 

“Meine Wege führten mich – zwanzig Jahre nach meinem Schulabschluss – in eine Firma, die mir damals den Auftrag gab, bei einer Firmen-Veranstaltung für die Kinderunterhaltung zu sorgen. Meine erste Idee war, mit den Roten Nasen Clowndoctors ein Charity-Event für die Kinder zu machen. Daraus wurde jedoch nichts und so beschloss ich kurzerhand, selbst als Clown aufzutreten und die Kinder zum Lachen zu bringen. Die Reaktionen der kleinen und großen Menschen, ihr Leuchten in den Augen, ihr Lächeln – all das hat mich wieder daran erinnert, an das Glücksgefühl, dass ich als kleines Mädchens vor vielen, vielen Jahren hatte. Und das war der Neustart auf meinem lang ersehnten Weg als Künstlerin. Vom Clown zum Theater, vom Theater zum Kabarett, weiter zur Trainerin für Theater- und Clown-Arbeit bis zu Team Building Workshops für Manager, das alles habe ich neben meiner „normalen“ Arbeit plötzlich bewältigt. Und dann mit einundfünfzig Jahren kündigte ich meinen Job, um mich ganz meiner künstlerischen Tätigkeit zu widmen. „Unvernünftig?“ „JA!“ – und meine Mutter hatte auch Recht: um meine monatlichen Rechnungen bezahlen zu können, muss ich oft heute noch als Kellnerin, oder auf dem Weihnachtsmarkt arbeiten. Aber, ich habe mir schlussendlich meinen Traum erfüllt und bin sehr, sehr glücklich darüber.“

Von den Großen lernen

Gibt es wichtige und prägende Vorbilder in deinem Leben?“, frage ich sie. Kurz überlegt sie und antwortet dann: „Vorbilder im klassischen Sinn habe ich keine, aber es gibt immer wieder Künstler_innen und Menschen, die mich faszinieren und die ich bewundere. Aktuell ist das Chris Lohner, die ich als Mensch und als Künstlerin sehr bewundere. Ich durfte sie persönlich kennenlernen, weil ich sie für das Lenautheater engagierte. Ihre wunderbare Art auf und auch hinter der Bühne, also nicht nur in ihrer offiziellen Funktion, sondern auch im privaten Umgang, ihr Engagement für ein soziales Miteinander, ihre Kraft und ihr fröhliche Art sind sehr beeindruckend.“

Ihre Ausbildungen können sich sehen lassen, hat sie doch vier Semester der Internationalen Schule für Humor, bei den Rote Nasen Clowndoctors unter der Leitung von Giora Seeliger, mehrere hochkarätige Clown- und Pantomime-Workshops bei Berühmtheiten wie Jango Edwards, bei Paul Kustermann, Jean-Louis Danvoie, Carlo Colombaioni, Hubertus Zorell, Andreas Moldaschl, Pepa Plana, Hilary Chaplain, Johnny Melville, Peter Shub absolviert.

Unter ihren Theaterlehrern befinden sich Größen wie Thomas Seiwald oder für Regie Markus Kupferblum und Physical Theatre bei Danny Scott und sogar Theaterarbeit mit Roland Düringer stehen in der langen Liste ihrer Aus-, Weiter- und Fortbildungen.

Die Flamme brennt weiter

Was treibt dich heute – außer dem Traum, den du als kleines Mädchen geboren hast – an?“ „Es war und ist immer noch ein inneres Bedürfnis, eine Flamme in mir, die einfach brennt und die mich kreativ und künstlerisch tätig sein lässt. Auch diese Möglichkeit über eigene Grenzen gehen zu können und Seiten in mir auszuleben, die ich im wirklichen Leben nicht oder nur ansatzweise zeigen kann beziehungsweise auch gar nicht will, fasziniert mich. Wir haben ja alle alles in uns, in unterschiedlichster Ausgeprägtheit. Ein sehr wichtiges Motiv ist für mich auch das Geben und Nehmen zwischen dem Künstler, der Künstlerin und dem Publikum. Beide Teile brauchen einander, und beide Teile können einander sehr glücklich machen. Für mich ist es wichtig, dass das Publikum berührt aus dem Theater geht – ob das durch Humor und Komik passiert oder durch Emotionen, das ist nicht so wichtig. Aber die Menschen sollen etwas mitnehmen können.“

Die existenzielle Frage muss ich noch stellen: „Kannst du von deinem Beruf als Regisseurin, Kabarettistin und Schauspielerin leben?“

„Lange Zeit habe ich meine künstlerischen Tätigkeiten nebenberuflich betrieben, seit vier Jahren bin ich hauptberuflich Künstlerin. Ich kann noch nicht davon leben und hätte ich nicht das große Glück einen extrem großzügigen Ex-Mann zu haben, der mir immer wieder aus der Patsche hilft und mir Geld borgt, das ich ihm dann zurückzahlen kann oder auch leider manchmal nicht, wüsste ich nicht wie das gehen soll. Er hat auch die Kosten für die Kinder zu hundert Prozent übernommen. Trotz der drastischen Reduktion all meiner Bedürfnisse, könnte ich ohne diese wertvolle Unterstützung diese „mageren Zeiten“ nicht überstehen. Aber es geht aufwärts. Und ich bin mir bewusst, dass ich hier ein Privileg genieße, auf das andere nicht zurückgreifen können.“

Uschi, es gibt eine Frage, die ich immer stelle und die ich natürlich auch dir stellen möchte: „Gehören Kunst und Soziales, auch im Sinn eines gesellschaftspolitischen Engagements, für dich zusammen?“ „Aus meiner Sicht hat die Kunst die Aufgabe Menschen zu bewegen, Themen aufzuzeigen und kritisch zu betrachten und zu helfen. Kunst war und ist für mich ein wichtiges Instrument um mich unter anderem sozial zu engagieren. Zum Beispiel sind Benefizveranstaltungen großartige Möglichkeiten, um auf Menschen in Not oder auch auf Tiere aufmerksam zu machen und auch finanziell zumindest ein wenig unterstützen zu können.“

Neuer Raum, neues Glück

Gibt es Zukunftspläne, was möchtest du noch alles umsetzen und erreichen?“, frage ich Uschi Noccieri zum Abschluss. „Ja,“ sagt sie; „es ist die Verlegung meines Wohnsitzes ins Mostviertel im Herbst 2020 geplant. Diese geografische Veränderung wird sicherlich auch einige künstlerische Veränderungen nach sich ziehen. Eines meiner Ziele und ein echter Herzenswunsch ist es, einen Raum abseits der Komödie für selten gespielte Theaterstücke zu finden und diese Nische für interessiertes Publikum aufzubauen. Eigenproduktionen in diesem Bereich sind ebenfalls ein Teil meines Planes. Und ich werde dann auch meine künstlerischen Fühler nach Engagements im westlichen Teil Österreichs ausstrecken, ob als Regisseurin oder als Schauspielerin, ich übernehme jede Aufgabe gerne. Auch möchte ich verstärkt wieder eigene Auftritte mit meinen eigenen Programmen wahrnehmen oder auch Zeit für meine Workshops haben. Selbstverständlich werde ich flexibel genug sein, um bestehende Aufgaben weiterhin erfüllen zu können oder auch neue Angebote im Wiener Raum anzunehmen.“

Das sind tolle Pläne und ich wünsche Uschi Noccieri, dass sie sie allesamt umsetzen können wird und zwar mit den Menschen, die fähig sind mit der gleichen Begeisterung ans Werk zu gehen, wie sie das tut.

www.uschi-nocchieri.at

www.lenautheater.at

www.hauser-nocchieri-woerz.at

https://www.facebook.com/Uschi-Nocchieri-112666538755037/

www.noezsv.at

 

 

 

 

Author: Mona May

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