Rudolf Krieger: Die Poesie des Pinsels

eine Betrachtung von Mona May

Teil 1

In diesem dreiteiligen ARTikel stelle ich euch den Künstler Rudolf Krieger und sein Werk vor. Wir werden nicht nur einiges über seine Arbeit als Künstler erfahren, sondern auch über ihn als Mensch.

Im ersten Teil betrachte ich zuerst den LYRIKKOSMOS des Künstlers, dannach verrät er uns seine Gedanken über seine Arbeit am Paneel, um mir abschließend einige Fragen über sein Leben zu beantworten. Im zweiten Teil widme ich mich der Bildhauerei des Künstler

LYRIKKOSMOS

Ein Freund machte mich vor einiger Zeit auf Rudolf Krieger aufmerksam. Damals wusste ich noch herzlich wenig über diesen famosen Künstler, der in seinem Werk gleich drei künstlerische Ausdrucksformen vereint: die Lyrik, das Malen und die Bildhauerei. Allerdings „verheimlichte“ mir besagter Freund diese Tatsache, indem er mich mehr auf die schriftstellerische Tätigkeit des Künstlers verwies Aber meine Neugierde war geweckt und so willigte ich ein über Rudolf Krieger zu schreiben. Der Kontakt war schnell hergestellt und der Künstler übermittelte mir per Mail einige Dokumente mit seinen Werken.

Als ich darin das erste Mal den Begriff LYRIKKOSMOS – mit dem er eine seiner jüngsten Werkreihen betitelte – las, dachte ich zuerst nur: „Oh, was für ein schönes Wort – so voller Poesie und visionärer Kraft.“ Und ich fühlte mich zum Träumen eingeladen, zum Träumen über Gedanken und Worte, die sich in Form von Gedichten auf einem Blatt Papier niedergelassen hätten. Ich schwelgte förmlich in der Erwartung, dass sich mir auf den nächsten Seiten ein lyrisches Universum auftäte, wovon sich mein Geist und meine Seele beflügelt fühlten.  Aber oft erfüllen sich Erwartungen nicht.  Zum Glück.

Denn manchmal wartet etwas noch Besseres oder einfach etwas Unerwartetes auf uns, das uns zu bereichern vermag. Und als ich die digitalen Seiten durchzublättern begann, musste ich über mich selbst schmunzeln. Meine Erwartungen wurden nämlich in einer ganz anderen Weise erfüllt: Das, was ich sah, faszinierte mich. Ich muss dazu sagen, dass ich von jeher ein Faible für die Bildenden Künste habe und so freute ich mich sehr, in ein zartes Farbenmeer eintauchen zu können: in die Bilder, die Rudolf Krieger von 2021 – 2022 mit Acryl und Kohle auf Paneele, Leinwand und Papier anfertigte.Aus wogenden Farben entstehen feine, filigrane Gewebe, die ich als eine ART lyrische Malerei bezeichnen möchte.

Irgendwie erinnern mich die Arbeiten des Künstlers an die kunstvolle asiatische Tuschmalerei Sumi-e, aber eben nur irgendwie, denn sie tragen eindeutig eine ganz eigene Handschrift: die von Rudolf Krieger.

Und was sagt der Künstler dazu?

Ich sehe diesen Abschnitt, diese Phase meiner LYRIKKOSMOS-Malerei so: Neue Räume fließen in den Raum des Tages ein. Diese Malereien sind ein Tagtraum des Lichtes.


Aber er lässt uns auch an seinen Gedanken über das Material, speziell über das Paneel, welches er für den Zyklus LYRIKKOSMOS verwendete, teilhaben.

“… Letzthin arbeitete ich an Paneelen und machte die Erfahrung, dass das Interesse an diesem Grundträger der Malerei wie aus dem Nichts entsteht. Es reizt irgendwie in den Augen, strahlt etwas Zartes aus, ist geschmeidig!

Und die Arbeit auf dem Paneel ist eher selten, allein schon dadurch regen sie die sinnliche Aufmerksamkeit von den Augen an. Ich finde, insgesamt schaut ein Paneel in seiner Einfachheit gut aus und die Arbeit auf dieser Holzplatte ist irgendwie einzigartig.

Du spürst den Widerstand der Platte und wenn du zu stark auf ihr ankommst, entsteht nahezu ein Widerhall, bei dem du glaubst, das jetzt die Farben vor dir zu musizieren beginnen. In einem Rhythmus pochen! Nicht schlecht! Dabei hast du doch gar kein Radio eingeschaltet.

Ich weiß nicht, aber mir kommt vor, es ist brauchbar: das Paneel, da es aus sich heraus schon einen lyrisch, poetischen Ausdruck vermittelt.

Ja, ja, es kann den metamorphen Prozess an der Arbeit anregen. Nicht von schlechten Eltern!

Lass bitte diese komplizierten Worte weg, sagt es mir, konzentriere dich lieber auf die musikalischen Farben.

Ja, diese Holzplatten!

Ich meinte ja nur, normalerweise kann man einen metamorphen Gehalt im Bild einer Malerei sichtbar machen, aber mir kommt vor, beim Malen auf der Holzplatte wird eine metamorphe Wandlung in mir spürbar. Aber gut, gut!

Es pocht schon wieder in meinen Fingern!”…

Und hier noch ein künstlerisches Statement des Künstlers, das er im Jänner 2022 über seinen Zugang zur Malerei verfasst hat.

Meine Malerei entsteht aus der Nacht, aus der Finsternis heraus, die in den Tag fließt: In meiner Malerei geht es um den Bezug zum Ort, der zum Ort auf der Leinwand wird – ich arbeite am Material und an der Farbe.

Aus dem Gefühl des Handelns und durch die Bewegung im Arbeitsprozess entsteht Form. Diese malerische Bewegung handelt von der Identität des Lichtes, denn jede Darstellung kommt ursprünglich aus der Finsternis und fließt in materielle Träumereien als Zone der Farbe ins Leben ein.

Meine Malerei entsteht aus drei Aspekten:


 aus der Nacht

aus der Bewegung

aus dem Gleichgewicht aller Kräfte

Nichts“ ist im Geist Vielfalt überall.

Im Arbeitsprozess lege ich Wert auf graphische Prozesse, die ich der sprachlichen Verankerung zumesse. Somit kommt es zu einer Loslösung von Zahlen, Buchstaben und Sprachfragmenten.

Beherbergt meine Graphik den dynamischen Modus der Geste, so erfüllt die Farbe diese Geste durch Energie, die Räume entstehen lässt, die für uns eine lyrisch, poetisch grundlegende Neuwertigkeit darstellen. Diese malerischen Räume gibt es grundsätzlich nicht, sie werden immer von neuem durch Malerei erschaffen. Das Gleichgewicht wird in der Malerei durch die Farbe, den Strich und die Kraftverteilung im Raum definiert.

Wenn ich mit jemanden im Gespräch bei einem Kaffee sitze und dadurch anscheinend eine Pause in der malerischen Arbeit mache, so ist dieses Gespräch und der Kaffee wesentlicher Anteil meiner künstlerischen Gestaltung. Gerade so, wie wenn jemand über den Zebrastreifen geht und dabei gar nicht daran denkt, dass ich gerade für ihn ein Bild male.

Das Leben und der Künstler

Rudolf Krieger

im Interview

Eigentlich ist mein Künstlername Ru, aber die anderen sollen das mit dem Namen so halten, wie sie es wollen. Es sind ja alles nur Benennungen und ich bin ein Menschenwesen, wie wir alle.“, lässt mich der Mag. art. Rudolf Krieger – mit einem freundlichen und warmherzigen Ton – bei unserem Telefongespräch wissen.

Gut,“, antworte ich und frage sicherheitvshalber nach, ob es dann okay ist, wenn ich ihn mit seinem bürgerlichen Namen vorstelle.

Mit einem heiteren „Ja, ja.“ erteilt er mir die Erlaubnis und ich beginne munter mit meinem Interview.

Ich erfahre von Rudolf Krieger, der seit seinem achtzehnten Lebensjahr in Wien lebt, dass er am 19. August 1967 in einem Ort, der zwischen den Hügeln der Weststeiermark in der Nähe von Eibiswald liegt, geboren wurde. Das Dorf heißt Hörmsdorf, dort ist er mit sechs Geschwistern und mehreren Ziegen, aufgewachsen. Seine Eltern, Rudolf und Aloisia Krieger, stammen von großen Bauernhöfen in dieser Gegend ab.

Wie war es für dich auf dem Land aufzuwachsen, gibt es etwas, an das du besonders gerne zurückdenkst?

Ja, zu einer meiner schönsten Erinnerungen an meine Kindheit und Jugendzeit gehört wohl die Freundschaft zu meinem Nachbarn Reimund, die bis heute andauert.

Aber da ist auch die Erinnerung an unsere Ziegen, die mein Leben begleiteten. Die Beobachtung der Ziegen, wie sie sich auf wundersame Weise vermehrten, all die kleinen Zicklein – das bleibt immer bei mir. Die Erlebnisse mit den Ziegen, ihr Verhalten, das sind Ereignisse, die ich mein Leben lang nicht mehr vergessen werde.

Einmal hatten wir Kinder die Idee, dass wir mit der Ziege, deren Name Irma la Douce war, in den Ort spazieren sollten, um dort einzukaufen. Das erregte natürlich Aufsehen, was uns irgendwie gefiel.

Ich nahm ja die Ziegen schon damals eher von einem philosophischen Standpunkt aus wahr, denn sie trugen immer ein Lächeln im Gesicht. Mein Bruder hingegen konnte die Ziegen praktisch gut behandeln.

Wie waren deine Eltern, hatten sie einen Sinn für Kunst und solche kindlichen „Performances“, was hielten sie davon, dass ihr mit der Ziege zum Einkaufen marschiert seid?

Meine Eltern hatten beide ein großes musikalisches Talent. Mein Vater spielte Trompete und Akkordeon, und hatte eine Band gegründet, mit der er oft auftrat. Meine Mutter hatte, wie ihre gesamte Familie, eine wunderschöne Singstimme. Allerdings waren meine ersten sechs Lebensjahre stark von der Gewalt meines Vaters geprägt, durch die auch die Beziehung meiner Eltern scheiterte.

Meine Eltern waren also zu dieser Zeit, als wir mit Irma la Douce zum Einkaufen spazierten, schon getrennt, aber meine Mutter war sehr offen für solche und andere Ideen von uns Kindern, Und zu meinen philosophischen Betrachtungen der Ziegen meinte sie – nach einer Nachdenkphase von ein paar Tagen – dass ich wohl recht hätte mit dem Lächeln der Ziegen.

Danke für deine Offenheit, die Trennung deiner Eltern hat euer Leben sicher stark verändert … ?

Ja, ja natürlich. Es ist mir wichtig zu erwähnen, dass meine Mutter in den 70iger Jahren begann, ein unabhängiges Leben mit uns sieben Kindern aufzubauen.

Meine Mutter hatte von ihren Eltern ein Grundstück geerbt, darauf haben meine Eltern ein Haus im 60iger Jahre Baustil erbaut. Wir lebten in diesem Haus, als meine Mutter dann alleine mit uns Kindern war, versuchten wir unseren Beitrag zu erbringen.

Wenn unsere Mutter zum Beispiel zur Arbeit beim Kränzebinden für Begräbnisse in der Gärtnerei war, erklärten wir den Haushalt und den Garten, auch den Acker und das Feld, zu unserem Aufgabengebieten. Wir erledigten diese Arbeiten so gut wie es uns möglich war.

Oft wenn meine Mutter am Abend nach Hause kam, stand schon ein Kaffee für sie bereit, den sie sehr liebte. Es war ihr immer wichtig, dass wir unsere Schulhausaufgaben gemacht hatten und dem entsprachen wir, denn wir wollten gute Schüler sein.

Apropos Schule, welche Ausbildungen hast du absolviert und wie fandest du deinen Weg in die Kunst?

Eine meiner wichtigen Lebenslehrerinnen war meine Mutter. Nach der Grundschule besuchte ich die Ortweinschule in Graz und später dann noch die Kunstuniversität in Linz, dort studierte ich Bildhauerei.

Das kam so: Die Keramikabteilung der Kunsthochschule in Linz hatte Interesse an meinen Arbeiten, fügte aber den Nachsatz an, dass ich schon zu den Fortgeschrittenen zähle und:es sinnvoller sei auf die Bildhauerei zu gehen. Was ich dann tat.

Ich bewarb mich auch an der bildenden Kunstuniversität in Wien, die Keramikabteilung und der Bildhauer Bruno Gironcoli (1936 – 2010), aber auch, der Maler Max Weiler (1910 – 2001) interessierten sich für meine Arbeit, was mich damals sehr freute.

Eigentlich begann ich ja mit dem Werkstoff Ton zu arbeiten, obwohl ich nebenbei immer an meinen Bildern und der Malerei arbeitete. Die Sache mit dem Ton, habe ich meinem Schwager zu verdanken. Als Arzt war er in seiner Freizeit ein begeisterter Keramiker und das inspirierte mich, es auch damit zu versuchen.

Dann war da noch mein Cousin, der damals, als wir zirka achtzehn Jahre alt waren, den Grazer Kleinkunstvogel für seine literarische Arbeit bekam. An dieser Anerkennung nahmen wir alle voller Freude teil und mein Cousin, der im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, war auch richtig happy. Das motivierte mich, am eigenen Schreiben dran zu bleiben.

Was treibt dich an, was ist die Triebfeder deiner Arbeit?

Ich arbeite an meinem poetischen Wesensgrund, der für uns alle ähnlich ist und der uns dadurch – ob bewusst oder unbewusst – verbindet. Damit spreche ich gleichzeitig eine abstrakte Dimension von Materialien, Farben, Räumen, Licht und Klang an, die in uns existiert. Denn alles, was wir erleben, das auf uns zukommt und das wir über unsere Sinne ertasten, schmecken und in Erfahrung bringen können, bleibt in uns gespeichert und bildet den poetischen wesenhaften Grund in uns. Als Künstler verbinde ich mich mit diesem Grund, um die Welt zu erreichen. Eine Malerei, ein Bild ist die Erschaffung eines neuen Raumes, eines neuen Lichtes in dieser Welt, denn diesen Raum gab es zuvor noch nicht.

Wenn ich dich richtig verstehe, dann ist dein Leben die Kunst und umgekehrt oder ich könnte es auch so formulieren, du bist ganz und gar durchdrungen von dem, was du tust. Da das Leben aber auch monetären Gegebenheiten unterliegt und viele Künstler_innen gezwungen sind einen Brotberuf auszuüben, würde mich interessieren, ob du von deinem Kunstschaffen leben kannst?

Ob man von der Kunst leben kann, das ist für mich eine Frage, die sich erübrigt. Ich möchte das am Beispiel der Literatur veranschaulichen: Ende 2021 bekam ich eine Statistik zugesandt, aus ihr ging hervor, dass von allen in Österreich lebenden Schriftsteller_innen nur ein Prozent von ihrer Arbeit leben können.

Aber es ist für mich auch ganz klar, dass man den künstlerischen Beruf nicht zum bezahlten Beruf machen kann.

Aber ich schätze meine Lebenssituation sehr und habe ein gutes Gefühl für das Leben. Ich kann mich in den Bereichen Bildhauerei, Malerei und Literatur verwirklichen.

Ich bin Mitglied im Kärntner Schriftsteller_innen Verband und im Kärntner Künstlerhaus. In einer kleinen Galerie wird mein Werk geschätzt und vertreten, ein Verlag verlegt meine Bücher und ich schreibe für verschiedene Literatur Zeitschriften. Mein Leben ist reich, weil ich viel erschaffen kann.

Seit dreizehn Jahren lebe ich in einer Beziehung, ich koche gerne, spiele Gitarre, Akkordeon und Djembe. Früher las ich mich auch noch leidenschaftlich gerne durch die Bücher dieser Erde – von Amerika bis Japan.

Zum Abschluss möchte ich dich noch fragen, inwieweit Corona und die damit verbundene Pandemie dein Leben veränderten?

Corana ist für mich eine Wolke, ein Wölkchen, das für sich beansprucht, die ganze Welt einzuhüllen. Wir Menschen dürfen uns mit diesem Virus auseinandersetzen, indem wir etwas lernen.

Bezeichnend für diesen Lernprozess war der Beginn des ersten Lock-down, wir sollten uns daran halten, nur für die nötigsten Wege das Haus oder die Wohnung zu verlassen, um niemanden anzustecken, und auch nicht selbst angesteckt zu werden. Da wurde mir klar, in der Relation zwischen Innen und Außen findet eine Veränderung statt.

Vielen Dank für das Interview.

Ich habe zu danken.

Author: Mona May

2 thoughts on “Rudolf Krieger: Die Poesie des Pinsels

  1. Danke, fuer dieses Exzellente Portraet, eines oesterreichiscjen Kuenstlers.
    Ru Krieger malt Lyrik. Wer hoeren kann, hoert den Rhytmus der Farbe, der aus einer Tiefe geschaffen, welcher in Bildern unter die Haut geht. In der sich Zeit u Raum, in der Betrachtung des Werkes, sich in Ihrer Endlichkeit aufloesen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert