Henning Schöttke: In den Fängen der Fantasie

 

Heute darf ich euch im Rahmen meiner Aktion Goethe ist tot – wir leben einen weiteren Künstler von außergewöhnlichem Format vorstellen. Nicht nur das, nein, er ist zudem wieder so ein Multitalent und ich stöhne schon jetzt, denn angesichts der vielen Talente, die er in sich vereint, weiß ich nicht womit ich beginnen soll. Wobei er selbst von sich sagt:  Ich tue mich schwer mit dem Begriff Talent. Ich halte mich da lieber an Thomas A. Edison, der gesagt haben soll: Großes Können kommt von zehn Prozent Talent und neunzig Prozent Handwerk. Ich denke, mit viel Übung kann wirklich jede und jeder angemessen gute künstlerische Dinge erreichen. Vielleicht ist Talent eher eine Charaktereigenschaft. Eine ungewöhnliche Art die Dinge zu sehen. Die Fähigkeit zur Ausdauer.“

Was das Herz begehrt

Nun gut, er ist Comiczeichner und Illustrator, gerne wäre er auch Objektkünstler, denn er hat, wie er sagt eine Menge an Objektkunst in seinem Kopf, er hat nur leider weder das Geld noch die Zeit diese Objekte zu verwirklichen. Aber noch viel mehr als das, ist er Schriftsteller und wonach sein Herz wirklich schreit, das ist die Musik. Henning Schöttke, der am 11.11.1952 in Hamburg das Licht der Welt erblickte, kann auf ein arbeitsintensives Künstlerleben und ein reiches Kunstschaffen zurückblicken und hat noch einiges vor – vor allem in Bezug auf die Musik. Das ungestillte Verlangen nach ihr führt, sehr zur Freude seiner Leser und Leserinnen, zu kreativen Verknüpfungen, die Neues und Ungewöhnliches erschaffen.

Musikalische Literatur

So ist ihm mit seinem Buch Superbias Lied, das 2017 im Verlag Stories&Friends erschienen ist, ein Geniestreich gelungen. Dort gibt er seiner Hauptfigur Bianca unter anderem die Rolle der Objektkünstlerin: „So konnte ich die Objekte aus meiner Fantasie wenigstens literarisch erschaffen“, meint er dazu. Aber dem nicht genug, denn aus dem Mädchen Bianca, das mit ihrem drogensüchtigen Vater durch die Lande zieht, wird ein Musikstar, eine Künstlerin durch und durch und so hat Henning Schöttke seinen berührenden Roman einem Song gleich aufgebaut. Und wen wundert es da noch groß, dass dem Buch eine CD, mit Songs aus der Feder des Autors, beigelegt ist.

Kunst im Kopf

Es gibt noch jede Menge über Henning Schöttke zu sagen, so zum Beispiel, dass er ein feinsinniger Grübler ist, einer, der immer bereit ist über seinen Tellerrand hinauszublicken, einer der über die Dinge des Lebens, aber auch über die Dinge, die sich unserer bewussten Wahrnehmung entziehen, nachdenkt. Und zwar in einer Gründlichkeit und Detailfreudigkeit, die einem Philosophen alle Ehre machen würden. Wenn er erzählt, dass er eigentlich ununterbrochen arbeitet und man nachfragt, was genau er damit sagen wolle, dann lautet seine Antwort: „Mit arbeiten ist auch denken gemeint. Zu meinen Schülern im Kreativen Schreiben, sage ich oft: Das Schreiben findet im Kopf und nicht auf dem Papier statt.”

Prägungen

Sein Vater war Ingenieur, starb jedoch als er zwölf Jahre war. Über ihn und seine Herkunft erzählt er: „Mein Vater wollte eine Erfindung machen und hatte Aktenordner voller Zeichnungen darüber, das hat mir sehr imponiert. Meine Mutter war Hausfrau, liebevoll und uns Kindern zugewandt. Sie spielte gelegentlich Klavier, nicht besonders gut, dafür aber mit sehr viel Herzblut. Dann hatte ich noch einen drei Jahre älteren Bruder namens Armin. Wir hatten ein Haus und gehörten insofern wohl zum Mittelstand, waren aber nicht besonders wohlhabend.“

In den Fängen der Fantasie

„Wie kam es, dass du dich für die Kunst entschieden hast?“, frage ich ihn. „Als kleines Kind war ich ab dem ersten Lebensjahr immer wieder mehrere Monate in Kiel bei meinen Großeltern. Dort gab es Nachbarn mit einem Baugeschäft. Die Nachbarin bekochte die Maurer und wenn diese Mittags kamen, wurde ich ermuntert, meine neuesten gemalten Bilder zu zeigen oder das neueste Lied zu singen. Hänschen Klein und so was. Dann haben alle geklatscht. Und so hatte ich schon weit vor der Schule den Wunsch, Künstler zu werden. Eine viel tiefere Wahrheit aber ist: Ich selbst mache Kunst, weil ich es tun muss. Kunst ist das, was mich antreibt und mein ganzes Leben durchdringt. Ich kann nur sagen, für mich gilt: Nicht ich habe Fantasie, sondern die Fantasie hat mich. Die Themen treiben an mir vorbei, ich sehe sie mir gründlich an und wende mich dann ihnen zu. Mich reizen Schicksale und die Zufälle im Verlauf menschlicher Lebenswege sehr. Dabei weiß ich einfach, dass ich mich auf meine Kreativität verlassen kann, die ist sozusagen ein eingebauter Bestandteil meiner selbst.“

Radikal gegen die Langweile

Ob für Henning Schöttke soziales Engagement und Kunst zusammen gehören, will ich wissen: „Ja, für mich gehören soziales Engagement und gesellschaftspolitische Themen und Kunst unbedingt zusammen, dazu noch die Wissenschaft und die Philosophie. Kunstschaffender zu sein bedeutet für mich ferner eine Radikalität der Gedanken und des Denkens – und dabei keine Angst vor dem negativen Urteil des Publikums zu haben. Andererseits unterhalte ich Menschen gerne: Du sollst nicht langweilen hat angeblich Mark Twain gesagt, das gefällt mir. Wer sagt, dass sich Gedankentiefe und Unterhaltung ausschließen? Darüber hinaus möchte ich Empathie hervorrufen, für die Figuren in meinen Romanen, und Neugier auf die Welt und ein Staunen und Verblüffung erzeugen.“

Man lernt nie aus

Er hat Musik und Mathematik für das Lehramt studiert, war aber vom mangelnden Wissen seiner Musiklehrer bezüglich der Kompositionslehre enttäuscht. „Ansonsten bin ich in allem Autodidakt und beschäftige mich immer intensiv mit dem Handwerk. Ich unterrichte Kreatives Schreiben auch deshalb, weil ich in jeder Unterrichtsstunde selbst etwas dazu lerne.“
„Gibt es Vorbilder die dich prägten?“ will ich wissen. „Oh ja, da wäre Hermann Hesse und seine Sicht auf das Leben. Die Beatles und die Aufbruchstimmung dieser Zeit. Christo, der mich durch den Neuen Realismus der 1960iger und das Ungewöhnliche seiner Objekte und die Hartnäckigkeit bei der Realisierung beeindruckte. Dann Stephen King, sein schriftstellerisches Handwerk und seine Darstellung von Kinderseelen und auch René Margritte und sein Blick hinter die Realität.“

Künstler und Kulturvermittler

Kannst du von deinem künstlerischen Schaffen leben? „Ja. Ich habe lange für Schulbuchverlage Bücher im Comicstil illustriert. Daneben verschiedene Serien gezeichnet, zum Beispiel für eine Firma aus der Computerbranche oder einen Schornsteinfegerverband. Seit ich Romane schreibe, kommen meine Buchverkäufe und Lesungen dazu. Außerdem unterrichte ich Kreatives Schreiben. Und seit einigen Jahren bin ich Kulturvermittler des Landes Schleswig-Holstein. Das bedeutet, dass ich Schulen bei der Planung und Durchführung von künstlerischen Projekten unterstütze, Künstler vermittle, Anträge schreibe, Sponsoren akquiriere und vieles mehr.“

Zukunftspläne

„Möchtest du mir noch ein wenig darüber berichten, was deine Hoffnungen, deine Ambitionen und Ziele sind?“ „Ja gerne, also auf einer Skala von 0 bis 100, bin ich bei 98. Ich werde glücklicher und zufriedener, je älter ich werde. Ich würde gern künstlerisch so erfolgreich werden, dass ich möglichst viele meiner Kunstprojekte verwirklichen kann. Dazu gehört ein vor fünfzehn Jahren geschriebener unveröffentlichter Roman Mlonguale und das Land ohne Tod. Dieser Roman ist sehr ungewöhnlich, und ich würde ihn gern so veröffentlichen können, dass er die angemessene Aufmerksamkeit erhält. Das wäre einer meiner großen Wünsche.“

Familienerbe Kreativität

Am Ende unseres Interviews befrage ich ihn noch über seine Familie, dazu vertraut er mir Folgendes an: „Meine Familie ist das Einzige, das noch vor der Kunst kommt. Ich lebe mit meiner Frau Claudia seit 1980 zusammen, unsere erste Unterhaltung drehte sich um Zeitreisen und sechsdimensionale Spiele. Ich habe zwei Kinder und zwei Enkel. Meine Frau unterstützt mich sehr in meiner künstlerischen Tätigkeit. Sie ist selbst nicht unbegabt, aber in dieser Hinsicht ohne jeglichen Ehrgeiz. Meine beiden Kinder sind künstlerisch begabt. Meine Tochter lernte ihren Mann in der gemeinsamen Band kennen. Für viele Kurzfilme, die meine Tochter drehte, schrieb ich die Drehbücher. Mein Sohn beschäftigt sich mit 3D-Animationen und beginnt mehr und mehr zu komponieren. Dabei betont er aber immer wieder, dass er kein Künstler sein will.“

Invidias Gesetze

Der Comiczeichner, Autor von Romanen und Kurzgeschichten Henning Schöttke schreibt auch Kurzfilm-Drehbücher und wird heuer im Herbst seinen fünften Roman: „Invidias Gesetze“ veröffentlichen.  Wir dürfen gespannt sein und ich freue mich schon sehr darauf, Henning Schröttke bald einmal zujubeln zu dürfen, wenn er als Musiker auf einer Bühne steht und uns alle rockt. Yeah!

Fotos: Gertje König, Henning Schöttke
http://www.henning-schoettke.de/henning-schoettke.php…
https://www.youtube.com/watch?v=-Q4WzLNl52A
https://www.facebook.com/henning.schoettke
http://www.mlonguale.de/

 

 

 

 

 

Author: Mona May

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